USA:Diese Sekte betet für den Tod von Soldaten

Für die Westboro Baptist Church ist der Tod von US-Soldaten die Strafe Gottes, weil Homosexualität toleriert werde. Jetzt entschied der Oberste Gerichtshof: Die Sekte darf für mehr tote Soldaten beten.

R. Klüver

Sie sind eine Landplage. Sie kommen, wenn der Schmerz am größten ist, wenn Amerikas Familien ihre in fernen Kriegen gefallenen Söhne, Brüder, Väter zu Grabe tragen. Dann protestieren sie am Straßenrand, halten Plakate hoch, auf denen "Betet für mehr tote Soldaten" steht oder "Gott sei Dank für IEDs", die vom US-Militär so gefürchteten improvisierten, unkonventionellen Sprengsätze.

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Shirley Phelps-Roper, die Sprecherin der Westboro Baptist Church, demonstriert während einer Soldaten-Beisetzung.

(Foto: AFP)

Der Tod der Soldaten im Irak und in Afghanistan sei doch nur die Strafe Gottes für diese lasterhafte Nation, die Homosexualität toleriere und Schwule und Lesben in der Armee dienen lasse. Bei mehr als 600 Soldatenbegräbnissen tauchten mittlerweile die Mitglieder der Westboro Baptist Church auf, einer kleinen Kirchengemeinde aus Topeka in Kansas, in Amerikas bibelfesten Mittleren Westen.

Und so sehr hat ihr Straßenprotest die Menschen quer durchs ganze Land aufgebracht, dass inzwischen nicht weniger als 43 Bundesstaaten Gesetze erlassen haben, die Pufferzonen rund um Friedhöfe oder Kirchen zulassen, um die Protestler auf Abstand zu halten. Dem Vater eines gefallenen Soldaten war das aber nicht genug. Er klagte auf Schadensersatz, weil die Proteste am Friedhof seine Familie zusätzlich emotional belastet hätten. Er bekam zehn Millionen Dollar zugesprochen - das hätte die Kirchengemeinde zweifellos ein für alle Mal mundtot gemacht.

Nun hat der Oberste Gerichtshof der USA in der Sache entschieden - ganz im Sinne der Sekte. Pufferzonen seien okay, doch das Recht auf Meinungsfreiheit, im First Amendment verankert, im ersten Zusatzartikel der US- Verfassung, erlaube die Proteste außerhalb dieser Zonen, selbst wenn sie "ein Ärgernis sind und Widerwillen hervorrufen", wie der Oberste Richter John Roberts in seiner Urteilsbegründung schrieb. "Sprache ist mächtig", heißt es darin weiter, "sie kann Menschen aufstacheln, sie kann sie zu Tränen rühren und großen Schmerz hervorrufen." Aber dafür könne man den Urheber der Worte nicht bestrafen. Eine Debatte dürfe nicht abgewürgt werden, solange es um Dinge von öffentlichem Belang gehe und die Sprecher sich an die Gesetze hielten.

Auffällig am Urteilsspruch ist, wie klar die Richter dem Versuch entgegentreten, die Meinungsfreiheit einzuschränken; in den USA stieße ein Gesetz gegen die Leugnung des Holocausts wie in Deutschland auf größtes Unverständnis. Bemerkenswert ist auch, dass sich die konservativen und die liberalen Mitglieder des sonst in Wertefragen zutiefst gespaltenen neunköpfigen Gerichtshofs in dieser Sache sofort einig waren.

Nur ein Richter, der konservative Samuel Alito, widersprach seinen Kollegen. Und der liberale Richter Stephen Breyer merkte mahnend an, dass Meinungen im Zeitalter ihrer digitalen Reproduzierbarkeit im Internet oder Fernsehen durchaus gewissen Einschränkungen unterliegen könnten - aber das wäre der Stoff für ein weiteres Verfahren.

Die Tochter des Kirchenführers der Westboro-Baptisten, die als Anwältin die Sekte vor dem Supreme Court vertreten hatte, sagte, das Urteil gehe weiter, als sie zu hoffen gewagt habe. Als Ursache dafür sah Margie Phelps nicht die Einsichtsfähigkeit der Richter - sondern, ganz klar, den Einfluss einer höheren Instanz: "Gott hat uns diesen Sieg gebracht."

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