Urteil über Kruzifix in Schulen:Das Kreuz bleibt hängen

Kruzifixe in staatlichen Schulen verstoßen nicht gegen Menschenrechte. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden. Die Richter betonten jedoch, eigentlich solle der jeweilige Staat entscheiden.

Kruzifixe in italienischen Klassenzimmern sind mit der Menschenrechtskonvention vereinbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies am Freitag die Beschwerde der Mutter zweier Söhne ab, die die Kreuze als Verstoß gegen das Recht auf Erziehung und auf Religionsfreiheit betrachtet hatte.

Kruzifix im Klassenzimmer, 1995

Kruzifix im Klassenzimmer: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Beschwerde einer Italienerin zurückgewiesen.

(Foto: DPA)

Die Richter der Großen Kammer betonten, es gehöre zum Bemessungsspielraum des italienischen Staates, ob er Kruzifixe in staatlichen Schulen zulasse. Damit spielt der EGMR den Ball an die nationale Politik zurück.

Es lasse sich nicht beweisen, "ob ein Kruzifix an der Wand eines Klassenzimmers einen Einfluss auf die Schüler hat, auch wenn es in erster Linie als religiöses Symbol zu betrachten ist", hieß es in dem Urteil. Der EGMR habe im Prinzip die Entscheidungen der Staaten auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts zu respektieren. Das gelte auch für den Stellenwert, den sie der Religion beimessen, "sofern diese Entscheidungen zu keiner Form der Indoktrinierung führen".

In erster Instanz hatte die Frau 2009 recht bekommen. In der Erziehung müsse der Staat konfessionell neutral bleiben, betonten die Kleine Kammer des Straßburger Gerichts damals. Sonst verstoße er gegen die Religionsfreiheit und gegen das Recht der Eltern, ihre Kinder gemäß ihren Überzeugungen zu erziehen.

Das Urteil löste in Italien wütende Kritik aus, die Regierung ging prompt in Revision. Selbst die linke Opposition sprach sich gegen die Entscheidung aus. Das Kreuz sei eine alte Tradition, sagte Pier Luigi Bersani, Chef der Demokratischen Partei. In dem Urteil werde der Gemeinsinn der Rechtsprechung geopfert.

Die Klägerin fühlte sich angesichts der Kritik von "katholischen Taliban" bedroht. In einem offenen Brief wünschte sie sich, das endgültige Urteil solle mit Fairness aufgenommen werden - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.

Es endete zu ihren Ungunsten: Das Urteil der Großen Kammer ist endgültig und kann nicht mehr angefochten werden. Die Entscheidung der 17 Richter ist für die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats bindend.

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