Urteil:Ohne Bedenken

Das Bundesverfassungsgericht billigt die Abschiebung von sogenannten Gefährdern. Auslöser der Entscheidung war der Fall eines Algeriers, von dem Gefahr ausging.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Jahrelang war die Vorschrift kaum angewandt worden, erst nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Abschiebung sogenannter Gefährder. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Auslöser war eine Abschiebe-Anordnung des bremischen Innensenators vom März. Ein 36 Jahre alter Algerier - Mitglied der radikalislamischen Szene in Bremen - sollte nach Algerien abgeschoben werden, weil von ihm die Gefahr eines Anschlags ausgehe. Der Mann hatte erstmals 2003 in Deutschland unter falschem Namen erfolglos Asyl beantragt. Er hat in Deutschland zwei Kinder von zwei Müttern - mit seiner jetzigen Partnerin hat er sich nach islamischem Ritus trauen lassen. Die Erkenntnisse über ihn, die das Bundesverwaltungsgericht im Mai in einer Abschiebe-Entscheidung zusammengefasst hatte, weisen ihn als gewaltbereiten Islamisten aus. Er sympathisiere mit der Terrormiliz Islamischer Staat und habe nach dem Berliner Anschlag offen die Tötung "Ungläubiger" gerechtfertigt; er prahle mit einem Selbstmordattentat, das sein Bruder in Syrien begangen habe; und er habe 2015 in Frankreich Menschen mit dem Tode bedroht, die Charlie-Hebdo-Attentate gerechtfertigt und sich selbst als Terroristen bezeichnet. Frankreich hat gegen ihn eine lebenslange Einreisesperre verhängt, auch nach Spanien und in die Schweiz darf er derzeit nicht reisen. (Az: 2 BvR 1487/17)

Das Verfassungsgericht hat keine Bedenken gegen Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz, und zwar deshalb, weil er eine "besondere Gefahr" für die Bundesrepublik oder eine "terroristische Gefahr" voraussetze. Beides sei hinreichend konkret. Dabei werde keineswegs - wie sein Anwalt geltend gemacht hatte - allein an eine ideologische Haltung angeknüpft. Entscheidend sei die Bereitschaft, "die aus seiner extremen ideologischen Überzeugung abgeleiteten Ziele mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen." Ideologie sei nur ein "Baustein eines besonderen Gefährdungspotenzials".

Damit erlaubt Karlsruhe - wie bereits im Frühjahr das Bundesverwaltungsgericht - die Anwendung des Paragrafen. Die Richter mahnen allerdings, dass die Zusicherung der Staaten, in die ausgeliefert wird, nicht nur ein Blatt Papier sein darf. Vielmehr müssten die dortigen Behörden "spezifische Garantien" für menschenrechtsgemäße Haftbedingungen abgeben. Und vor allem müssten sie den ungehinderten Zugang von Anwälten gewährleisten.

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