Urteil des Verfassungsgerichts:Die Familie entzweit die Koalition

Karlsruhe stoppt das Betreuungsgeld. Union und SPD streiten jetzt erst recht über Leistungen für Eltern.

Von Robert Roßmann, Berlin

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld hat in der großen Koalition einen Streit über die Familienpolitik ausgelöst. Die CSU beharrte trotz der Entscheidung der Karlsruher Richter darauf, dass das Betreuungsgeld eine sinnvolle Familienleistung sei, die es auch in Zukunft geben sollte. Die SPD widersprach dem vehement. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, die SPD habe das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld schon immer für "eine Schnapsidee" gehalten. Erfreulicherweise habe sich das Verfassungsgericht jetzt gegen diese Leistung und "für eine Familienpolitik der neuen Zeit" entschieden.

Die Richter hatten das Betreuungsgeld zuvor für verfassungswidrig erklärt. Der Bund hätte die vor zwei Jahren eingeführte Leistung nicht beschließen dürfen, da er dafür keine Gesetzgebungskompetenz gehabt habe, hieß es zur Begründung. Zuständig für solche Leistungen seien allein die Länder. Damit erhielt Hamburg mit seiner Normenkontrollklage recht.

Das Verfassungsgericht erklärte das Betreuungsgeld-Gesetz allerdings nur aus formalen Gründen für nichtig. Auf die inhaltliche Kritik gingen die Richter nicht ein. Hamburgs Familiensenator Detlef Scheele (SPD) hatte argumentiert, die schnelle Rückkehr von Müttern ins Berufsleben, die Sprachförderung von Kleinkindern mit Migrationshintergrund und die Förderung von Kindern aus sozial schwierigen Schichten würden durch das Betreuungsgeld behindert, weil es Eltern davon abhalte, ihre Kinder in eine Kita zu geben.

Das Betreuungsgeld erhalten Eltern, die ihr Kind nicht in eine staatlich geförderte Krippe geben. Es beläuft sich auf 150 Euro monatlich. Im Regelfall wird es für Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat gezahlt. Derzeit beziehen mehr als 450 000 Eltern diese Leistung, im laufenden Bundeshaushalt sind dafür 900 Millionen Euro veranschlagt. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte, sie werde jetzt "nach einer Lösung suchen, damit Familien, die das Betreuungsgeld bereits beziehen, es bis zum Ende bekommen". Neue Anträge auf Betreuungsgeld werden aber nicht mehr bewilligt.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist eine Niederlage für die CSU. Das Betreuungsgeld war das zentrale Projekt der Partei in der vergangenen Legislaturperiode. Das wichtigste eigene Projekt in dieser Legislatur, die Pkw-Maut, ist wegen rechtlicher Bedenken der EU-Kommission ebenfalls gefährdet.

Union und SPD streiten auch darüber, was mit dem bisher für das Betreuungsgeld einplanten Mitteln geschehen soll. Schwesig sagte, diese müssten "Familien zugutekommen, zum Beispiel durch eine verbesserte Kinderbetreuung". CSU-Chef Horst Seehofer verlangte dagegen, dass der Bund das Geld an die Länder weiterreicht, damit diese in eigener Kompetenz Betreuungsgeld zahlen können. Er verwies darauf, dass in Bayern 73 Prozent der anspruchsberechtigen Familien die Leistung nutzen. Sein Land werde deshalb künftig in jedem Fall selbst ein Betreuungsgeld zahlen. Die Bayern-SPD erwägt ein Volksbegehren, um auch diese Leistung zu Fall zu bringen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: