Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:Gericht verurteilt Mazedonien wegen Festnahme el-Masris

Gerichtshof urteilt über CIA-Entführung El Masris

Khaled el-Masri bei einer Gerichtsverhandlung in Memmingen im Jahr 2010.

(Foto: dpa)

Spektakuläres Urteil in Straßburg: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Mazedonien dazu verurteilt, dem Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri Schmerzensgeld zu zahlen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Behörden den Mann unrechtmäßig festgenommen und der CIA übergeben hatten. Die US-Agenten brachten el-Masri daraufhin nach Afghanistan und misshandelten ihn.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Überstellung Khaled el-Masris durch Mazedonien an den US-Geheimdienst CIA als schwere Grundrechtsverletzung anerkannt. Die Richter in Straßburg sprachen dem Deutsch-Libanesen aus Neu-Ulm ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 Euro zu.

El-Masri hatte über menschenunwürdige Behandlung vor fast zehn Jahren in Mazedonien geklagt. Die Richter sahen es in dem Urteil als erwiesen an, dass die dortigen Behörden den heute 49-Jährigen 2003 festgenommen und drei Wochen später der CIA übergeben hatten. El-Masri wurde anschließend von der CIA misshandelt und nach Afghanistan entführt. Dort wurde er nach eigenem Bekunden gefoltert.

Mit der Auslieferung el-Masris an die CIA sei unter anderem gegen das Folterverbot und das Recht auf Schutz des Familienlebens verstoßen worden, befand der Gerichtshof. Sein Anwalt hatte ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro gefordert.

Der Leidensweg des Deutsch-Libanesen, der zu der Klage führte, begann mit seiner Festnahme in Mazedonien: El-Masri, der in Kuwait geboren wurde und im Libanon aufwuchs und seit 1994 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, wurde am 31. Dezember 2003 von dortigen Geheimdienstmitarbeitern aus einem Reisebus geholt. Anschließend wurde er mehr als drei Wochen in einem Hotel in der mazedonischen Hauptstadt Skopje festgehalten, ohne irgendjemanden kontaktieren zu dürfen. Ermittler befragten ihn zu angeblichen Verbindungen in die islamistische Szene rund um eine Moschee in Neu-Ulm. El-Masri hatte die Moschee besucht, war selbst aber weder strafrechtlich noch wegen islamistischer Umtriebe in Erscheinung getreten.

Schließlich übergaben ihn die Mazedonier an CIA-Agenten, die el-Masri erst verprügelten und betäubten und ihn dann nach Afghanistan verfrachteten. Die US-Ermittler behielten el-Masri vier Monate lang in einem Geheimgefängnis. Er wurde verhört und misshandelt. Als sie offenbar sicher waren, dass el-Masri keine Gefahr darstellte und auch kein brisantes Wissen hatte, wurde er zurück nach Europa geflogen und im Mai 2004 in Albanien ausgesetzt.

Die Anwaltskosten zahlt eine Stiftung von George Soros

El-Masris Anwalt argumentierte vor dem Menschenrechts-Gerichtshof, Mazedonien habe gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Die Gefangennahme in Skopje sei eine gesetzeswidrige Freiheitsberaubung gewesen. Zudem habe die mazedonische Regierung das Agieren der US-Ermittler auf ihrem Boden geduldet, sie sei mitverantwortlich für el-Masris Leidenszeit in Afghanistan."Ohne die Übergabe an die CIA wäre das alles nicht passiert", sagte sein Anwalt während des Gerichtsverfahrens.

Die Anwaltskosten übernimmt die US-amerikanische Stiftung Open Society, die sich für die Wahrung von Menschenrechten einsetzt und vom Milliardär George Soros finanziert wird.

Massive psychische Probleme

Mazedonien erklärte, el-Masri habe sich freiwillig in dem Land aufgehalten und sei nach Albanien ausgereist. Von einer Entführung durch die CIA wisse man nichts. In der mündlichen Verhandlung führte sie formale Argumente an, dass el-Masris Klage unzulässig sei.

El-Masri sitzt derzeit in Deutschland im Gefängnis

El-Masri, inzwischen 49 Jahre alt, war bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Er sitzt derzeit in Deutschland im Gefängnis. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hatte der Vater von sechs Kindern sich um die Rückkehr in sein altes Leben bemüht. Er lebte von staatlicher Hilfe und nahm an Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt teil. Zugleich hatte el-Masri aber mit massiven psychischen Problemen zu kämpfen.

Erstmals straffällig wurde er, als er während einer Fortbildung einen Prüfer niederschlug. Kurz darauf zündete er einen Supermarkt in Neu-Ulm an. Weil der Richter ihn für traumatisiert hielt, verhängte er eine Bewährungsstrafe. Doch kurz vor deren Ende schlug er den Neu-Ulmer Oberbürgermeister nieder und wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Im kommenden Jahr soll el-Masri entlassen werden. Seine Familie hat Deutschland inzwischen verlassen.

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