Urteil des Bundesverfassungsgerichts:Es gilt das neue Sorgerecht - ab sofort!

Die Justizministerin stiftet Verwirrung, dabei ist es ganz einfach: Väter nichtehelicher Kinder brauchen kein neues Gesetz, um das Sorgerecht zu erstreiten. Die Gerichte stehen ihnen schon jetzt offen.

Heribert Prantl

Ein Blick ins Gesetz, so heißt ein alter Juristenkalauer, erleichtert die Rechtsfindung. Der Spruch lässt sich auch auf Urteile anwenden. Ein Blick ins neue, wegweisende Urteil des Verfassungsgerichts zum Sorgerecht entwirrt nämlich die Verwirrung, die nach dem Urteil entstanden ist. Das Urteil gilt ab sofort, es gilt für jeden Vater eines nichtehelichen Kindes. Jeder kann ab sofort sein (Mit-)Sorgerecht beim Familiengericht beantragen.

Sorgerechtsregelung für unverheiratete Väter verfassungswidrig

Vater mit Kind: Nach dem Karlsruher Urteil können nichteheliche Väter vor Gericht um das Sorgerecht streiten.

(Foto: dpa)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat zur allgemeinen Verwirrung beigetragen. Sie hat erklärt, sie wolle "auch für Altfälle den Weg zu den Gerichten ermöglichen", weil "viele ledige Väter jahrelang keine Chance hatten, bei Gericht das Sorgerecht durchzusetzen." Das klingt so, als müssten sich all diejenigen Väter derzeit noch weiter gedulden, die schon seit Jahren vergeblich darauf gewartet haben, an der Sorge für ihr Kind beteiligt zu werden, oder die vor Gericht gezogen und mit einem solchen Begehren abgewiesen worden sind. Das ist aber nicht der Fall. Bei der "vorläufigen Regelung", die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat, gibt es gar keine "Altfälle".

Der Weg ist offen

Der Weg zum Sorgerecht muss den nichtehelichen Vätern nicht erst per Gesetz geöffnet werden. Der Weg ist schon offen, seit Dienstag, seit Verkündung der Entscheidung: Das Gericht hat angeordnet, dass die Familiengerichte ab sofort auf Antrag eines Elternteils den Eltern die Sorge für ihr Kind gemeinsam übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Das bedeutet, dass sich Väter, die mangels Zustimmung der Mutter bislang von der gemeinsamen Sorge für ihr Kind ausgeschlossen waren, ab sofort an die Familiengerichte wenden und dort einen entsprechenden Antrag stellen können - egal, seit wann ihnen die gemeinsame Sorge verweigert wird, und egal, wie alt ihr Kind ist. Grenze ist die Volljährigkeit: Wenn das Kind 18 Jahre alt ist, gibt es kein Sorgerecht mehr, auch nicht für die Mutter.

Der Zugang zu den Gerichten ist also ab sofort für alle Väter minderjähriger Kinder freigeräumt und damit die Möglichkeit offen, an der Sorge für ihr Kind beteiligt zu werden.

Alles andere ist grundgesetzwidrig

Die Rede der FDP-Ministerin von "Altfällen" macht nur Sinn, wenn man ihre Gesetzespläne für das neue Sorgerecht kennt. Politiker der FDP fordern, die gemeinsame Sorge der Eltern eines nichtehelichen Kindes kraft Gesetzes eintreten zu lassen, sobald eine Anerkenntnis der Vaterschaft wirksam geworden ist. Wenn der Gesetzgeber dem folgt, stellt sich die Frage, ob dies auch für längst abgegebene Anerkenntnisse, also quasi rückwirkend, oder nur für künftige Fälle gelten soll.

Der Justizministerin schwebt wohl Letzteres vor. Dann aber muss zwingend für Väter, die ihre Vaterschaft schon anerkannt haben, diejenige Regelung gesetzlich fort- und festgeschrieben werden, die das Verfassungsgericht jetzt vorläufig schon angeordnet hat: also die Möglichkeit, dass Väter sich an die Familiengerichte wenden, um dort klären zu lassen, ob statt der bisherigen Alleinsorge der Mutter eine gemeinsame Sorge der Eltern einzurichten ist, die dem Kindeswohl entspricht. Alles andere wäre grundgesetzwidrig, wie das Bundesverfassungsgericht erklärt hat.

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