Untreue-Prozess:Wer den Kopf hinhält

Untreue-Prozess: Auch Sassnitz auf Rügen bewilligte kreativ formulierte Subventionsanträge zum Wohnungsbau; im Bild der Musikpavillon.

Auch Sassnitz auf Rügen bewilligte kreativ formulierte Subventionsanträge zum Wohnungsbau; im Bild der Musikpavillon.

(Foto: Peter Eberts/mauritius images/age fotostock)

Mit Tricks kamen Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern an Geld vom Bund. Zwei hohe Beamte stehen nun vor dem Bundesgerichtshof.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es begann mit einer guten Absicht. Die damals noch neuen Länder hatten Förderbedarf, weshalb der Bund 1999 ein Gesetz zur Förderung von Investitionen auflegte, das unter anderem den Wohnungsbau voranbringen sollte. Das sollte nicht allzu sehr ausufern, weshalb man vornehmlich Wohnungen in "Kerngebieten" für förderungswürdig erklärte - also dort, wo sich in der Innenstadt Arztpraxen, Behörden und Kultureinrichtungen mischen. Weil aber die Subventionsanträge dann doch kreativ formuliert und von den Kommunen großherzig bewilligt wurden, mussten sich am Dienstag zwei hohe Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern vor dem Bundesgerichtshof verantworten. Die Anklage lautet auf Untreue.

Nun könnte man sagen: recht so. Wenn zu Unrecht staatliche Fördermittel ausgeschüttet werden, muss jemand dafür geradestehen. Der Haken ist nur, dass sich vor dem BGH nicht etwa jene Bürgermeister aus Mecklenburg-Vorpommern zu verantworten hatten, die in den Jahren nach 2000 - um Bundesgelder in ihre Stadt zu leiten - auch dort unterstützungswürdige "Kerngebiete" entdeckten, wo in Wahrheit nur eine grüne Wiese war. Angeklagt sind vielmehr ein Finanzstaatssekretär aus Mecklenburg-Vorpommern und ein hoher Beamter der Finanzverwaltung. Damit führt der Fall zu der unendlich komplizierte Frage, wer am Ende den Kopf hinhalten muss, wenn die Kommune bei Subventionen trickst und das Finanzamt nicht entschieden einschreitet.

Wie in Deutschland nicht anders denkbar, war natürlich geregelt, wie das Räderwerk der Verwaltung ineinandergreifen sollte. Die Gemeinde sollte entscheiden, welche Gebiete als förderungswürdig einzustufen seien, das Finanzamt dagegen musste den Kommunalbescheid als in der Regel verbindlich hinnehmen und die Förderung gewähren. Weil aber den Finanzbeamten seinerzeit manche Förderentscheidung der Kommunen fragwürdig vorkam, stellte man sich die Frage, was zu tun sei. Klar ist, dass Finanzämter in solchen Fällen "remonstrieren", also die Stadtverwaltung um neuerliche Prüfung bitten müssen. Doch was, wenn die Kommunen stur bleiben? In einem der vom BGH zu prüfenden Fälle ging es um eine Zulage von 650 000 Euro für die "Anklamer Siedlung" in Pasewalk. Es kamen Zweifel an deren Förderfähigkeit auf, es wurden Telefonate geführt und Vermerke gefertigt, die Sache ging ans Finanz- und dann ans Bauministerium - wo sich die Bedenken letztlich zerstreuten. Hatten die Finanzbeamten damit genug getan, um den Kommunen nochmals auf den Zahn zu fühlen? Oder hätten sie den "riesigen Sack von Geld" - wie der BGH-Senatsvorsitzende Ekkehard Appl den Staatshaushalt nannte - mit Klauen und Zähnen verteidigen müssen? In einer Dienstbesprechung im April 2003 hatten die Angeklagten als Leitlinie eine eher großzügige Praxis ausgegeben. Aber es war ja auch keine Räuberbande, die das Fördergeld in die Gemeinden lenken wollte. Es waren Bürgermeister und Bauamtsleiter.

Der Fall führt damit zu der Frage, ob das scharfe Schwert des Strafrechts hier wirklich am rechten Ort eingesetzt worden ist. Das zeigt schon der Gang des Verfahrens: Das Landgericht Schwerin wollte die Anklage gar nicht erst zulassen, musste sich aber der Verfügung des Oberlandesgerichts beugen. Nach mehr als 50 Verhandlungstagen sprach es die Angeklagten vor zwei Jahren frei. Auch die Bundesanwaltschaft schlug sich in der Karlsruher Verhandlung auf die Seite der Angeklagten und beantragte, die Revision der Schweriner Staatsanwälte zu verwerfen. Der BGH verkündet nächste Woche sein Urteil. Die Sache sei "ergebnisoffen", sagte Appl.

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