Untersuchungskomission zum 11. September:Die Schlacht um UA 93

Der Bericht des 9/11-Ausschusses dokumentiert das Versagen von FBI, CIA, Flugsicherung, Luftwaffe und Politikern. Doch es gab auch Helden: die 33 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder des Fluges United Airlines 93. Jetzt wurden Tonbandaufnahmen aus dem Cockpit der Maschine veröffentlicht.

Von Hans Leyendecker

Weil sich die Passagiere heftig wehrten, erreichten die von dem Todespiloten Ziad Jarrah angeführten Terroristen nicht ihr Ziel in Washington - vermutlich sollte die Boeing 757 ins Weiße Haus oder ins Capitol geflogen werden.

Shanksville

Die Absturzstelle der UA 93 in Shanksville, Pennsylvania

(Foto: Foto: dpa)

Die Untersuchungen der "Schlacht um UA 93" (so der Ausschuss) brachten neue Erkenntnisse über die letzten Minuten an Bord der gekaperten Maschine. Die Entführer brachten, wie aus dem Bericht hervorgeht, die Maschine in Pennsylvania selbst zum Absturz. Erstmals wurden offiziell Tonbandaufnahmen aus dem Cockpit der Maschine veröffentlicht.

Um 9.28 Uhr drangen die vier Entführer in das Cockpit der 46 Minuten zuvor in Newark (Bundesstaat New Jersey) gestarteten Maschine ein. Fluglotsen in Cleveland empfingen den ersten Notruf "Mayday". Im Hintergrund waren Geräusche zu hören, die auf einen Kampf hindeuteten.

Die Maschine sank plötzlich ab. 35 Sekunden später muss es einem der Piloten gelungen sein, wieder die Sprechtaste zu drücken. In der Flugleitzentrale von Cleveland hörten die Controller Stimmengewirr.

Offensichtlich dauerte der Kampf an. Eine amerikanische Stimme rief: "Raus hier - raus hier - raus hier". Vermutlich war es Kapitän Jason Dahl oder sein erster Offizier. Dann war minutenlang Stille.

Um 9.32 Uhr hörten die Lotsen, dass einer der Terroristen in gebrochenem Englisch zu den Passagieren sagte: "Hier der Kapitän. Bitte setzen Sie sich hin und bleiben Sie sitzen. Wir haben eine Bombe an Bord. Also sitzen."

Vermutlich war es die Stimme des Libanesen Jarrah, der 1996 nach Deutschland gekommen war und zur Hamburger Zelle gehörte.

Bis 9.40 Uhr hatten mindestens zehn Passagiere und zwei Mitglieder der Crew telefonisch Familie, Freunde oder Kollegen über die Vorgänge an Bord informiert. Sie schilderten übereinstimmend, die Terroristen würden rote Stirnbänder tragen und hätten sämtliche Passagiere in den hinteren Teil der Maschine getrieben.

Zwei Mitglieder der Crew lägen tot oder verletzt auf dem Boden. Die Passagiere erfuhren von ihren Angehörigen, dass bereits zwei Maschinen ins New Yorker World Trade Center geflogen waren.

Um 9.57 Uhr, fast 30 Minuten nach Beginn der Entführung, stürmten einige Passagiere nach vorn Richtung Erster Klasse, um dann ins Cockpit einzudringen. "Jeder rennt Richtung Erster Klasse" sagte ein Passagier. "Ich muss auch nach vorn. Auf Wiedersehen."

Der Pilot Jarrah riss das Ruder ruckartig nach links und rechts, um die anstürmenden Passagiere aus dem Gleichgewicht zu bringen. Kurz darauf rief er einem seiner Komplizen zu, er solle die Tür zum Cockpit blockieren.

Die Passagiere gaben nicht auf. Ein paar Sekunden vor zehn Uhr änderte Jarrah seine Taktik, zog das Ruder erst steil nach oben und drückte es anschließend wieder nach unten, um den Angriff abzuwehren. Laute Schreie, Schläge sowie Geräusche von zerbrechendem Glas waren zu hören.

Um 10.00 Uhr stabilisierte Jarrah die Boeing wieder. Fünf Sekunden später rief er einem Komplizen zu: "War's das? Sollen wir die Sache beenden?". "Nein, noch nicht", rief eine Stimme. "Erst wenn sie alle kommen, beenden wir die Sache."

Ein Passagier schrie: "Ins Cockpit. Wenn wir es nicht schaffen, sind wir alle tot." Sechzehn Sekunden später rief ein Passagier: "Let's roll".

Um 10.01 Uhr rief Jarrah: "Allah ist der Größte! Allah ist der Größte". Eine andere Stimme fragte wieder: "War's das?" Dann: "Ich meine, wir sollten sie runter bringen." "Ja, bring sie runter und drücke es runter", rief einer.

Der Ausschuss fand heraus, dass der Anführer der Todespiloten, Mohammed Atta, schon Wochen zuvor in Madrid mit einem der Organisatoren des Anschlages darüber geredet hatte, die Piloten würden eine entführte Maschine abstürzen lassen, wenn diese nicht ihr Ziel erreichen könne.

Um 10.02 Uhr versuchten die Passagiere noch immer das Cockpit zu stürmen. Die Maschine drehte sich auf den Rücken und einer der Entführer brüllte: "Allah ist der Größte."

Im Hintergrund waren Schreie der Passagiere zu hören, die ins Cockpit wollten. Kurz darauf schlug die Boeing 757 mit etwa 970 Stundenkilometern in einem Feld in Shanksville im Bundesstaat Pennsylvania auf. Im Bericht steht, dass es bis Washington noch zwanzig Flugminuten gewesen wären.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: