Unternehmenssteuer:Eine Frage der Fairness

Die EU-Kommission verdonnert Apple zu Recht dazu, Milliarden nachzuzahlen. Die faulen Deals zwischen Staaten und Firmen müssen gestoppt werden.

Von Alexander Mühlauer

In Irland hat sich der Staat zum Komplizen des großen Geldes gemacht. Er wurde zum Handlanger eines Unternehmens, das - nicht nur im geografischen Sinn - Grenzen überschreitet. Apple hat Milliarden zwischen Tochterfirmen hin und her verschoben. Es nutzte ein undurchsichtiges globales Geflecht, was schließlich zu einem denkwürdigen Steuersatz führte: 0,005 Prozent. Dies ist eine Zahl, bei der nicht nur die EU-Wettbewerbskommissarin das Gefühl beschleicht, dass man "einen zweiten Blick auf den Steuerbescheid werfen sollte". Nun präsentierte Margrethe Vestager ihre Rechnung: Apple soll bis zu 13 Milliarden Euro an Steuern nachzahlen. Plus Zinsen.

Die Entscheidung der Brüsseler Kommission ist eine Kampfansage an all jene Länder, die ein staatlich organisiertes System der Steuervermeidung geschaffen haben. Ein System, das die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringert. Ein System, das nur multinationalen Konzernen offensteht. Irland ist damit nicht allein, nicht einmal in Europa. Auch die Niederlande und Luxemburg haben Absprachen mit Konzernen getroffen, die gegen EU-Recht verstoßen. Sie sind, ebenso wie die Steuerdeals zwischen Irland und Apple, illegal. So sieht es die EU-Kommission - und zwar zu Recht.

Brüssel bittet Apple zur Kasse - das sollte Schule machen

Noch ist offen, ob die Entscheidungen der Behörde vor Europas Oberstem Gericht standhalten. Denn dort werden sie wohl landen. Die Regierung in Dublin hat bereits kundgetan, dass sie sich im Recht sieht; Apple sowieso. Es ist dieselbe Reaktion wie schon bei Starbucks und Fiat, die ebenfalls Steuern zurückzahlen sollen. Die Verantwortlichen von Apple gehen jedoch noch einen Schritt weiter. Sie sehen in der Kommissionsentscheidung den Versuch, die Geschichte des Unternehmens in Europa umzuschreiben. Das mag übertrieben sein; und doch offenbart es ein tiefes Misstrauen gegenüber Europas mächtigster Behörde. Zu einem gewissen Grad ist das auch nachvollziehbar, denn im Fall von Starbucks und Fiat geht es mit 20 bis 30 Millionen Euro um vergleichsweise kleine Summen. Die Milliardenforderung gegenüber Apple geht ans Grundsätzliche.

Wie groß die Verstimmung in den Vereinigten Staaten auch auf politischer Seite ist, bewies vergangene Woche ein nicht zufällig lanciertes Papier aus dem US-Finanzministerium. Darin wirft Washington den Wettbewerbshütern in Brüssel vor, sich wie eine "supranationale Steuerbehörde" aufzuspielen. Das US-Ministerium prüfe "eventuelle Antworten, wenn die Kommission an ihrem aktuellen Kurs festhält". Konkreter wurde es nicht. Aber eine Drohung ist dies allemal.

Um es klar zu sagen: Die Europäische Kommission ist nicht das Europäische Finanzamt. Sie stellt keine Steuerbescheide aus, und sie legt auch nicht fest, wie hoch oder niedrig die Abgaben sind, die ein Unternehmen zu zahlen hat. Das ist Sache jedes einzelnen EU-Landes. Trotzdem ist es gut, dass sich die Behörde aus Brüssel in die nationale Steuerpolitik einmischt. Denn das Gebaren mancher Staaten hat nichts mit fairem Wettbewerb zu tun. Es gefährdet nicht nur die Stabilität und die Haushalte jener Länder, aus denen die Konzerne ursprünglich kommen. Es gefährdet auch ein Stück weit die Stabilität der Gesellschaft. Denn eine Europäische Union ist keine Union, wenn die Bürger den berechtigten Eindruck haben, dass die Lasten höchst ungleich verteilt sind.

Es muss deshalb ein einfacher Grundsatz gelten: Unternehmen haben ihre Steuern dort zu zahlen, wo sie ihre Gewinne machen. Um das zu erreichen, braucht es einen Pakt, der verbindliche Kriterien festlegt. Die EU-Staaten müssen sich darauf verpflichten, den unfairen Steuerwettbewerb zu beenden. Es muss klar geregelt sein, was bei Unternehmensteuern erlaubt ist und was nicht. Es gilt dabei auch, Mindeststeuersätze festzulegen, die niemand unterschreiten darf. Wer das doch tut, muss mit Sanktionen rechnen. Gäbe es diesen Pakt, müsste sich die EU-Kommission nicht länger mit der Krücke des sogenannten Beihilfeverfahrens behelfen. Und dann gäbe es auch nicht länger die Paradoxie des geltenden Wettbewerbsrechts: Die Konzerne sollen den erhaltenen Steuerrabatt an Länder zurückzahlen, die das Geld gar nicht wollen.

Nun ist es nicht so, dass seit der Lux-Leaks-Affäre und den Enthüllungen der Panama Papers gar nichts passiert wäre. Doch noch immer fehlt es an einer glaubwürdigen Allianz gegen Steuerflucht. Der Kreis der G 20 ist dafür der richtige. Die Staaten sollten für einen ehrlichen Steuerwettbewerb eintreten. Davon würden alle profitieren, auch die EU-Kritiker aus Washington. Denn am Ende steigert ein hohes Aufkommen an Unternehmensteuern den globalen Wohlstand. Genau das muss das politische Ziel sein. Weltweit.

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