Unternehmen:Lücken im Recht der Schwachen

Unternehmen: Wolfgang Kaleck, Miriam Saage-Maaß: Unternehmen vor Gericht - Globale Kämpfe für Menschenrechte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016. 126 Seiten, 9,90 Euro.

Wolfgang Kaleck, Miriam Saage-Maaß: Unternehmen vor Gericht - Globale Kämpfe für Menschenrechte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016. 126 Seiten, 9,90 Euro.

Wie transnationale Konzerne Menschenrechte missachten, und warum der Fall Kik daran etwas ändern könnte.

Von Wolfgang Janisch

Die Globalisierung hat kein gutes Image, und wer das schmale Bändchen "Unternehmen vor Gericht" zur Hand nimmt, der lernt einiges darüber, warum das so ist. Die Grundthese lautet: Die Aufgabe des Rechts, die Schwachen zu schützen, droht im internationalen Verkehr der Waren und Dienstleistungen auf der Strecke zu bleiben. Das hohe Niveau des Arbeitnehmerschutzes, wie es sich in der westlichen Welt etabliert hat, lässt sich eben nur schwer in die globale Sphäre transferieren. Weshalb viele transnationale Unternehmen in Ländern produzieren lassen, wo der Lohn niedrig und der Arbeiter rechtlos ist.

Es ist ein Phänomen, an dem sich studieren lässt, wie internationale Rechtssetzung funktioniert - oder eben auch nicht. Der weltweite Wirtschaftsverkehr hat längst seine Regeln zum Schutz eigener Bedürfnisse geschaffen, durch Freihandelsbestimmungen, Investitionsschutzabkommen, Zollvereinbarungen. Auch zur "möglichst umfangreichen Absicherung ihrer Profite", schreiben die Autoren. Auf der anderen Seite die Menschenrechte: schwierig durchzusetzen, schon gar nicht gegen Unternehmen, weil sich Menschenrechts- und Arbeitsrechtskonventionen an Staaten richten, nicht an Betriebe. Die "wirkungsmächtigen Akteure der Weltwirtschaft" entzögen sich dem Zugriff des Menschenrechtsregimes.

Was also tun? Wolfgang Kaleck (Anwalt von Edward Snowden) und Miriam Saage-Maaß, die der Menschenrechtsorganisation "European Center for Constitutional and Human Rights" angehören, schildern, dass die "globalen Kämpfe für Menschenrechte" meist an nationale Rechtsnormen anknüpfen; internationale Regeln wie etwa die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erwiesen sich oft als stumpfes Schwert. In den 90er-Jahren erzwangen Anwälte in Großbritannien nach klassischem Deliktsrecht Entschädigungen für Betroffene, etwa wegen der Verklappung von Giftmüll vor der Elfenbeinküste oder einer Ölverseuchung in Nigeria.

In Deutschland hat jüngst die Schadenersatzklage beim Landgericht Dortmund gegen das Textilunternehmen Kik Furore gemacht. 2012 waren beim verheerenden Brand in der Fabrik eines Kik-Zulieferers in Karatschi 259 Menschen ums Leben gekommen. Über die Erfolgsaussichten darf man sich keine Illusionen machen - allerdings dienen solche Verfahren zugleich einem diskursiven Zweck: Wenn Ansprüche von Arbeitern abgewiesen werden, die im fernen Pakistan unter lebensgefährlichen Bedingungen im Dienste der europäischen Billigproduktion gearbeitet haben, dann lässt sich "ein strukturelles menschenrechtliches Problem in Form eines Einzelfalls" thematisieren, schreiben die Autoren. Anders gesagt: Die Lücken im Recht der Schwachen lassen sich immer schwerer übersehen.

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