Unruhen in Sofia:Bulgarische Regierung tritt nach Krawallen zurück

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Boiko Borissow und sein gesamtes Kabinett treten ab. (Foto: dpa)

"Es möge das Volk entscheiden": In Bulgarien ist die Regierung nach heftigen Protesten gegen die enorm hohen Energiekosten geschlossen zurückgetreten. Ministerpräsident Borissow stellte klar, dass er nicht für eine Übergangsregierung zur Verfügung stehe.

In Bulgarien tritt die Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow geschlossen zurück. Dies kündigte der Regierungschef an. Als Grund nannte der Politiker die Proteste der Bevölkerung gegen zu hohe Strompreise. "Ich werde nicht Teil einer Regierung sein, in der die Polizei Menschen verprügelt", sagte Borissow im Parlament. "Es möge das Volk entscheiden."

"Wir haben Würde und Ehre. Es ist das Volk, das uns an die Macht brachte, und wir geben sie ihm heute zurück", erklärte er. Zugleich stellte er klar, nicht für eine Übergangsregierung zur Verfügung zu stehen.

Auch das gesamte Kabinett tritt den Angaben zufolge zurück. Die Proteste gegen die Sparmaßnahmen sowie die hohen Strompreise hatten die Regierung erheblich unter Druck gebracht. In der Hauptstadt Sofia war es in den vergangenen Tagen zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Dabei wurden an der zentral gelegenen Adlerbrücke mehrere Menschen verletzt.

Vorgezogene Wahlen vielleicht im April

Borissow hatte sein Amt im Juli 2009 mit den Versprechen übernommen, das ärmste EU-Land zu modernisieren, die Einkommen auf mitteleuropäisches Niveau anzuheben und die Korruption wirksamer zu bekämpfen. Wie es nach dem Rückzug der Regierung nun weitergeht, ist offen. Die regulären Parlamentswahlen waren für Juli geplant. Nun ist von vorgezogenen Wahlen Ende April die Rede.

Ursprünglich hatte das Parlament in Sofia am Mittwoch über eine Kabinettsumbildung abstimmen wollen. Auf Druck zehntausender Demonstranten war Finanzminister Simeon Djankow bereits am Montag zurückgetreten. Das hatte den Regierungsgegnern und der Opposition jedoch nicht ausgereicht; sie forderten den geschlossenen Rücktritt der bürgerlichen Regierung, weil sie diese für die Missstände im Lande verantwortlich machen.

Die Parteien begrüßten Borissows Rücktritt mit Erleichterung, verwiesen aber auch auf die zahlreichen ungelösten Probleme. Denn viele Probleme wie die geringen Einkommen, die schlechte Gesundheitsversorgung sowie die Korruption und hohe Arbeitslosigkeit bleiben weiterhin ungelöst. Soziologen warnten, dass der Druck der Straße unberechenbar sei. Sollten sich die Menschen nicht integriert fühlen, werde es weitere Proteste geben, warnte der angesehene Soziologe Haralan Aleksandrow im Staatsradio.

Unklar blieb zunächst, bis wann Borissows Regierung als geschäftsführendes Kabinett im Amt bleiben soll und ob andere Parteien mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Sollten diese verzichten, muss Staatspräsident Rossen Plewneliew eine Interimsregierung einstellen.

© Süddeutsche.de/Reuters/AFP/rela - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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