Unruhen in Israel:Friedenssignale aus Jerusalem

Nach den heftigen Unruhen der letzten Tage versucht Israel eine Annäherung und überweist zurückgehaltene Zoll- und Steuereinnahmen an die Palästinenser.

Peter Münch und Sonja Zekri

Am Tag nach dem großen Blutvergießen herrscht gespannte Ruhe an Israels Grenzen, doch mit Worten werden Barrikaden gebaut gegen einen möglichen neuen Ansturm. "Wir hoffen, dass die Ordnung bald wieder hergestellt ist", sagte Premier Benjamin Netanjahu in einer kurzen Fernsehansprache, "aber niemand sollte das falsch verstehen: Wir sind fest entschlossen, unsere Grenzen zu verteidigen." Nach mindestens 14 Toten bei den Schießereien an den Zäunen zum Libanon und zu Syrien wird von ihm nun ein schwieriger Spagat gefordert - er muss Stärke zeigen, ohne zu eskalieren.

Unruhen in Israel: Ein Toter und 18 Verletzte, so lautet das traurige Resultat eines Terrorattentats in Tel Aviv am 15. Mai. Ein palästinensischer LKW - Fahrer rammte zuerst mehrere Wagen und schließlich einen Bus.

Ein Toter und 18 Verletzte, so lautet das traurige Resultat eines Terrorattentats in Tel Aviv am 15. Mai. Ein palästinensischer LKW - Fahrer rammte zuerst mehrere Wagen und schließlich einen Bus.

(Foto: AFP)

Am Montag entschloss sich Israels Regierung zu einer Maßnahme der Mäßigung: Steuer- und Zolleinnahmen in Höhe von umgerechnet 70 Millionen Euro, deren vertragsgemäße Überweisung wegen des Versöhnungsabkommens zwischen Fatah und Hamas vor zwei Wochen gestoppt worden war, wurden nun freigegeben. Die jüngsten Ereignisse haben ein Horror-Szenario am Horizont aufscheinen lassen: ein Krieg an mehreren Fronten und dazu noch ein Aufstand in den besetzten Palästinenser-Gebieten.

Die Abriegelung des Westjordanlands, die am Sonntag wegen der angekündigten Proteste zum Nakba-Tag verhängt worden war, wurde aus Sicherheitsgründen von Israels Militär um einen Tag verlängert. Dabei war es in dem von der moderaten Fatah regierten Gebiet im Vergleich zu den anderen Konfliktzonen noch erstaunlich ruhig geblieben - dank des Einsatzes der palästinensischen Sicherheitskräfte. Doch in der Bevölkerung brodelt es gewaltig, und Präsident Machmud Abbas trug dem Rechnung in einer Ansprache. Darin adelte er die Toten als "Märtyrer", deren Blut nicht umsonst geflossen sei. "Es ist vergossen worden für die Freiheit des palästinensischen Volkes", erklärte er.

Zur Freigabe eingefrorener palästinensischer Mittel sagte Israels Finanzminister Juval Steinitz, es habe Zusicherungen der Palästinenser gegeben, "dass das Geld nicht an die Hamas oder in Terroroperationen fließt". Vor allem aber hatte es Druck aus dem Westen gegeben, zuletzt hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat mit Netanjahu auf die Auszahlung gedrungen. Vor seiner Reise nach Washington noch in dieser Woche wollte Israels Premier wohl zumindest diese Front begradigt haben.

Angriff auf israelische Botschaft

Konfrontiert wird er in Washington voraussichtlich mit dem dringenden Wunsch der US-Regierung, dass Israel mit neuen Friedenssignalen den arabischen Aufbruch zur Demokratie unterstützt. In Israel hat dieser Aufbruch jedoch vor allem Ängste ausgelöst. Der gleichzeitige Ansturm auf die Grenzanlagen im Libanon, in Syrien und im Gaza-Streifen trage "die Handschrift des Iran", sagte ein Armeesprecher.

Die syrische Regierung und die Hisbollah im Libanon geben zwar Israel die Schuld am Blutvergießen. Doch die Regierung in Jerusalem legte bei den Vereinten Nationen wegen der Grenzverletzung Beschwerde ein gegen die beiden Staaten. Tatsächlich erscheint ein solcher Ansturm auf die Grenzen nicht denkbar ohne Zutun oder zumindest Billigung der Hisbollah, die den Südlibanon kontrolliert, sowie des Regimes in Damaskus. Im eigenen Überlebenskampf könnte Präsident Baschar al-Assad auch weiter versucht sein, die Wut der Massen auf den alten Feind Israel zu lenken.

Zudem bricht sich offenbar in Ägypten das alte Ressentiment gegen Israel Bahn, nachdem es während des Aufstandes gegen Präsident Hosni Mubarak durch Forderungen nach Demokratie verdrängt worden war. In der Nacht zu Montag versuchten Tausende Demonstranten, die israelische Botschaft in Kairo zu stürmen, schoben Straßensperren beiseite, verbrannten eine israelische Flagge, zündeten Autos an und forderten die Ausweisung des Botschafters.

Die Polizei schoss mit Tränengas und scharfer Munition. 353 Menschen wurden verletzt, über 185 verhaftet. Dabei war erst am Sonntag zum ersten Mal seit dem Sturz Mubaraks ein hoher israelischer Beamten nach Kairo gereist: Amos Gilad, ein Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums. Die Aktivisten hatten auf Facebook zum Protest gegen Israel aufgerufen. Einen Marsch nach Gaza über den ägyptischen Grenzübergang Rafah hatte der regierende ägyptische Militärrat am Samstag abgefangen.

Auch der neue Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Al-Arabi, hat in den zwei Monaten seiner Amtszeit als ägyptischer Außenminister durch eine härtere Gangart gegen Israel auf sich aufmerksam gemacht.

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