Unruhen in Iran:Regierung schränkt Medien drastisch ein

Hoffnung für die Opposition in Iran: Der Wächterrat hat angekündigt, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu prüfen. Während die Unruhen weitergehen, verbietet die Regierung allen Journalisten ausländischer Medien die Berichterstattung auf offener Straße.

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen den Wahlausgang in Iran hat sich der Wächterrat bereiterklärt, einen Teil der Stimmen neu auszuzählen. Das für die Organisation der Präsidentschaftswahl zuständige Gremium wolle die Stimmen derjenigen Wahlurnen prüfen, die "Gegenstand von Einwänden" seien, sagte der Sprecher des Rats der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna. Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, hatte eine Prüfung der Ergebnisse durch den Wächterrat angeordnet.

Iran Präsidentschaftswahl Proteste Unruhen Teheran, Getty

Wo sind unsere Stimmen? Anhänger der unterlegenen Mussawi marschieren durch die Straßen Teherans.

(Foto: Foto: Getty)

Nachdem Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad bereits nach dem ersten Wahlgang am Freitag zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden war, hatte der Reformkandidat Mir Hussein Mussawi am Sonntag beim Wächterrat die Annullierung der Abstimmung beantragt.

Die zwölf Mitglieder des Wächterrats haben in rechtlichen Fragen das letzte Wort. In der theokratischen Staatsordnung Irans haben sie die Aufgabe, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Islam und der Verfassung zu überprüfen. Der Wächterrat steht auf der Seite der konservativ-schiitischen Geistlichkeit. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie das Ergebnis der Wahl annullieren.

Angesichts der anhaltenden Protest verbietet die iranische Regierung allen Journalisten ausländischer Medien die Berichterstattung auf offener Straße. Der Anordnung zufolge dürfen die Reporter nur noch aus ihren Büros berichten und damit keine Augenzeugenberichte senden.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), kritisierte die Einschränkung der Pressefreiheit scharf. "Das ist ein Bruch internationaler Konventionen", sagte Nooke am Dienstag dem Handelsblatt. Er fügte hinzu: "Ich erwarte, dass sich der Iran an die Abkommen hält, die er auch selbst unterschrieben hat." Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit dürften nicht eingeschränkt werden, hob Nooke hervor. "Sonst wird Menschenrechtspolitik zur Farce."

Auch die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" griff die iranische Regierung für ihren Umgang mit Medien an. Um die Berichterstattung über Betrugsvorwürfe bei den Wahlen zu unterdrücken, würden Journalisten festgenommen, Zeitungen geschlossen und Artikel zensiert.

Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" drangen staatliche Sicherheitskräfte in die Büroräume zahlreicher Tageszeitungen ein und verhinderten die Veröffentlichung kritischer Artikel. Vier wichtige reformorientierte Zeitungen seien geschlossen worden. Auch seien vier Mitarbeiter des Innenministeriums festgenommen worden, weil sie Resultate genannt hätten, die von den offiziellen Zahlen abwichen.

Bei Protesten gegen den Ausgang der Wahl sind einem Radiobericht zufolge sieben Menschen getötet worden. Es handele sich um Zivilisten, berichtete der Sender Pajam. Die Menschen hätten am Montag einen Militärposten in der Nähe des Demonstrationszuges angegriffen. "Leider sind sieben Menschen getötet und mehrere andere verletzt worden", hieß es.

Es war die erste Bestätigung für einen Zwischenfall nach der Großkundgebung am Asadi-Platz, bei der Hunderttausende Anhänger des nach offizieller Lesart unterlegenen Mussawi friedlich demonstriert hatten.

Als sich die Menge nach Einbruch der Dunkelheit aufzulösen begann, versuchte eine Gruppe Demonstranten, das Gebäude einer mit den Revolutionsgarden in Verbindung stehenden Freiwilligenmiliz am Rand des Platzes in Brand zu stecken und zu stürmen. Daraufhin gaben Personen in dem Gebäude Schüsse auf die Demonstranten ab.

Polizei nimmt Reformer fest

Eine iranische Exil-Organisation, der Nationale Widerstandsrat, sprach von mehreren Toten und Verletzten. Bei den Protesten in Teheran und anderen Städten seien mindestens zehn Demonstranten getötet worden.

Unterdessen hat die Polizei nach Angaben der Opposition mehrere Reformpolitiker festgenommen. Der frühere Vizepräsident Mohammed Ali Abtahi sei am Dienstagmorgen abgeführt worden, teilte sein Büro mit. Abtahi hatte im Wahlkampf den gemäßigten Reformkandidaten Mehdi Karrubi unterstützt.

Reaktionen aus dem Ausland

Bereits am Montag war nach Angaben aus Oppositionskreisen der prominente Reformer Said Hadschjarian festgenommen worden. Die amtliche Nachrichtenagentur Fars meldete, mehrere Menschen mit "antirevolutionären" Absichten seien seit Montag verhaftet worden. Bei ihnen sei Material zum Bau von Sprengsätzen und Waffen gefunden worden.

Mussawi sagt Demo ab

Für heute hatten sowohl Anhänger der Regierung als auch der Opposition zu neuen Kundgebungen aufgerufen. Das Mussawi-Lager sagte eine Protestveranstaltung allerdings kurzfristig ab, weil für die Teilnehmer Lebensgefahr bestehe.

Beobachter hatten schwere Zusammenstöße in der Hauptstadt Teheran befürchtet, nachdem regierungsnahe Gruppen eine Gegendemonstration angekündigt hatten. Sie wollten sich eine Stunde vor der Opposition auf demselben Platz versammeln, auf dem am Vortag Zehntausende Anhänger von Mussawi gegen das amtliche Endergebnis demonstriert hatten.

Obama und Steinmeier in Sorge

US-Präsident Barack Obama hat sich "tief beunruhigt" über die Gewalt nach der Präsidentenwahl in Iran gezeigt. Er gehe davon aus, dass die iranische Führung die "Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl untersuchen werde, sagte Obama in Washington.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat zu einem Ende der Gewalt in Iran aufgerufen. "Wir blicken weiterhin mit großer Sorge in den Iran", sagte Steinmeier am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Die Lage nach der Präsidentschaftswahl auf den Straßen Teherans sei "nach wie vor heikel". "Es muss ein Ende der Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten geben. Auch die Sicherheitskräfte sind verantworlich dafür, dass die Lage nicht weiter eskaliert", fügte Steinmeier hinzu.

Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose (SPD), geht von einem "massiven" Betrug bei den Präsidentschaftswahlen in Iran aus. Nach seiner Einschätzung sei Ahmadinedschad sogar nur Dritter geworden, sagte Klose am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Die beste Hilfe für das Land bestehe darin, die Tatsachen an die Weltöffentlichkeit zu bringen.

Der Sohn des letzten persischen Schahs, Resa Pahlewi, verwies angesichts der Massenproteste auf Parallelen zur Islamischen Revolution 1979, die zum Sturz seines Vaters geführt hatte. Das heutige Klima in Iran rufe Erinnerungen an die Ereignisse vor mehr als 30 Jahren wach, die zur Machtübernahme des heutigen Regimes geführt hätten, sagte Pahlewi dem US-Fernsehsender CNN. Der frühere Thronfolger, der heute in den USA lebt, forderte insbesondere US-Präsident Obama auf, "Solidarität" mit den Iranern zu zeigen.

"Was sich im Iran ereignet, ist keine Wahlfälschung, es ist ein Staatsstreich", sagten die Zeichnerin Marjane Satrapi, Autorin des weltweit erfolgreichen Comics und Kinofilms "Persepolis", und der Filmemacher Mohsen Makhmalbaf in Brüssel.

Zum Beweis zitierte Satrapi aus einem Dokument, das nach ihren Angaben aus dem Teheraner Innenministerium stammt. Danach soll Präsidentschaftskandidat Mir-Hossein Mussawi aus der Wahl mit gut 19 Millionen Stimmen als eigentlicher Sieger hervorgegangen sein. Der offiziell zum Gewinner erklärte Ahmadinedschad landete der Zeichnerin zufolge mit rund 5,7 Millionen Stimmen nur auf Platz drei. "Das sind zwölf Prozent der Stimmen, nicht 62", sagte Satrapi. Das Militär sei im Auftrag Ahmadinedschads eingeschritten, als Mussawi seine Siegesrede geschrieben habe.

Präsident auf Russland-Reise

Ungeachtet der Proteste ist Präsident Ahmadinedschad am Dienstag nach Jekaterinburg im Ural (Russland) gereist. Ahmadinedschad werde am Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) teilnehmen und wolle sich anschließend mit Journalisten treffen, meldeten die Agenturen Interfax und Itar-Tass.

Am Vortag hatte die iranische Botschaft in Moskau mitgeteilt, die für Montag geplante Ankunft des iranischen Staatschefs sei verschoben. In der 2001 gegründeten SOZ bündeln Russland und China ihren Einfluss im eurasischen Raum.

Die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran sind eng, aber nicht konfliktfrei. So besteht der Kreml auf einer ausschließlich diplomatischen Lösung des Konflikts um mögliche Atomwaffenpläne Irans. Zudem bauen russische Firmen das erste iranische Atomkraftwerk in Buschehr, das 2010 ans Netz gehen soll. Die von Teheran gewünschte Lieferung von russischen Raketenabwehrsystemen lehnt Moskau aber ab.

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