Unruhen in Bulgarien:Hass auf Roma-Führer löst Krawalle aus

Randalierer zünden Roma-Häuser an, aufgebrachte Demonstranten liefern sich Auseinandersetzungen mit der Polizei: Ein tödlicher Verkehrsunfall, für den Mitglieder eines Roma-Clans verantwortlich sein sollen, führt in Bulgarien zu starken ethnischen Spannungen.

Klaus Brill

Ein tödlicher Verkehrsunfall hat in Bulgarien schwere Spannungen zwischen der Minderheit der Roma und der Bevölkerungsmehrheit ausgelöst. Wie das Innenministerium in Sofia am Dienstag mitteilte, wurden in der Nacht zuvor erneut mehr als hundert junge Bulgaren festgenommen, um Ausschreitungen gegen Roma-Siedlungen zu verhindern. Der Anführer eines großen Roma-Clans, der offenbar wegen krimineller Machenschaften verhasst ist, wurde nach einer Meldung des bulgarischen Fernsehens von der Polizei an einen "sicheren Platz" in der Hauptstadt Sofia gebracht.

Unruhen in Bulgarien: Aufgebrachte Bürger zünden in dem Dorf Katuniza Häuser des Roma-Führers Kiril Raschkow an. Die Dorfbewohner werfen Raschkow seit langem vor, sie zu terrorisieren.

Aufgebrachte Bürger zünden in dem Dorf Katuniza Häuser des Roma-Führers Kiril Raschkow an. Die Dorfbewohner werfen Raschkow seit langem vor, sie zu terrorisieren.

(Foto: AFP)

Bei dem Mann handelt es sich um Kiril Raschkow, der mit seiner Großfamilie in dem Dorf Katuniza in Südbulgarien lebt, unweit von Plowdiw, der zweitgrößten Stadt des Landes. Er ist bekannt als "Zar Kiro" und verfügt über beträchtliche Besitztümer. Nach bulgarischen Presseberichten steht er an der Spitze einer mafia-ähnlichen Organisation und war schon im Kommunismus vor 1989 zu insgesamt 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Dorfbewohner werfen ihm seit langem vor, sie zu terrorisieren und selber durch die Bestechung der Behörden unantastbar zu sein, auch die Roma hätten unter dem Clan-Chef zu leiden.

Am Wochenende wurde Raschkow zum Ziel heftiger Ausschreitungen, nachdem am Freitagabend in Katuniza der 19-jährige Dorfbewohner Angel Petrow, ein ethnischer Bulgare, von einem Kleinbus angefahren und tödlich verletzt worden war. Im Auto saßen Mitglieder des Kiro-Clans. Der Fahrer soll nach dem Bericht von Augenzeugen mit Absicht gehandelt haben, und fuhr nach dem Zwischenfall davon. Inzwischen sagte er, er habe am Ort nicht angehalten, weil er geglaubt habe, nur einen Hund umgefahren zu haben. Der Mann wird jetzt von den Ermittlungsbehörden des Totschlags beschuldigt.

Bald nach dem Unfall kam es in Kutuniza zu heftigen Protesten der ethnischen Bulgaren. Zu ihnen stießen Fußball-Fans und andere junge Leute, darunter Rechtsradikale, aus der nahen Stadt Plowdiw, die sich über Facebook verständigt hatten. Sie setzten am Samstagabend mehrere luxuriöse Häuser des Roma-Führers Raschkow in Brand. Es kam auch zu Schlägereien, bei denen ein 16-jähriger Junge an Herzversagen starb. Die Polizei nahm insgesamt 141 Personen fest, wie die zuständige Staatsanwaltschaft mitteilte. Sieben wurden im Schnellverfahren verurteilt.

Am Sonntag marschierten vor dem Wohnsitz von "Zar Kiro" in Kutuniza mehrere hundert nationalistisch gesinnte Rocker auf, in der Innenstadt von Plowdiw versammelten sich mehrere tausend Menschen. Am Montag griffen die Unruhen auch auf andere Städte über. In der Hauptstadt Sofia kam es zu chaotischen Szenen, als etwa 1000 Demonstranten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. In mehreren Städten versuchten junge Männer, in Roma-Siedlungen vorzudringen, doch konnte die Polizei dies verhindern. In Sofia bedrohten die Jugendlichen auch eine Moschee, doch die Sicherheitskräfte konnten sie verjagen. Gleichwohl übte Ministerpräsident Bojko Borissow scharfe Kritik daran, dass der Polizei die Lage aus der Hand geglitten sei.

Konflikt überschattet Wahlkampf

Der Konservative Borissow und Staatspräsident Georgi Parwanow, ein früherer Sozialist, mahnten am Montag in Kutuniza zur Besonnenheit. Parwanow sagte, die ethnischen Auseinandersetzungen dürften keinesfalls den gerade begonnenen Wahlkampf für die am 23. Oktober stattfindenden Präsidentschafts- und Kommunalwahlen dominieren. Der Konflikt in Kutuniza sei persönlich und nicht ethnisch motiviert.

Im Rundfunk hieß es, die Bulgaren seien tolerant und nicht ethnisch, religiös oder rassistisch geteilt. Doch müssten die Politiker und die Führer der Roma sich jetzt ernstlich daran machen, die Probleme der Roma zu lösen.

Dem Rundfunkbericht zufolge schwelt der Konflikt in Kutuniza schon seit Jahren. Kiril Raschkow und seine Verwandten seien offiziell arbeitslos gemeldet, lebten aber in großem Wohlstand. Reich geworden seien sie durch die Produktion von illegalem Alkohol sowie durch Taschendiebstahl und Prostitution. Die Behörden und die Parteien hätten aber stillgehalten, weil der Clan viele Wählerstimmen kontrolliere und durch Bestechung wahrscheinlich etliche Richter, Polizisten und Steuerbeamte in der Hand habe.

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