Unreformierbares Waffenrecht in den USA:Im Visier der Schützen-Lobby

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Der 2. Zusatz der Verfassung gestattet allen Bürgern das Recht auf eine Waffe

(Foto: AFP)

Immer wieder gibt es in den USA Anläufe, das Waffenrecht zu verschärfen und zum Beispiel das Tragen bestimmter Gewehrtypen oder den Verkauf halbautomatischer Schusswaffen zu verbieten. Doch Konservative und Lobbyisten sorgen immer wieder dafür, dass Gerichte entsprechende Regelungen kassieren.

Von Hubert Wetzel

Jeder Politiker, der die Waffengesetze in den USA verschärfen will, muss sich zuerst mit einem grundsätzlichen Problem befassen: Es gibt bereits einen Gesetzestext, in dem die Rechtslage ziemlich klar geregelt ist - den 2. Verfassungszusatz, in Kraft getreten am 15. Dezember 1791. Dieser billigt allen Bürgern im Grundsatz das Recht zu, eine Waffe zu besitzen.

Das heißt: Den Handel mit oder den Besitz von Waffen aller Art einfach per Federstrich zu verbieten, wie das in anderen Ländern gemacht wurde, ist in den USA praktisch unmöglich; es sei denn, der amerikanische Kongress und die Bundesstaaten einigten sich auf eine Änderung des Second Amendment, was aber höchst unwahrscheinlich ist.

US Supreme Court stoppt lokale Parlamente

Zwar gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche lokaler Parlamente in einzelnen, von Gewaltkriminalität geplagten Städten, Gemeinden oder Bundesstaaten, den Besitz von Handfeuerwaffen per Gesetz für illegal zu erklären. Doch diesen Versuchen setzte das US-Verfassungsgericht mit zwei Urteilen in den Jahren 2008 und 2010 ein Ende.

Besonders wichtig war das Urteil des Supreme Court von 2008 im Fall "District of Columbia v. Heller". Zur Entscheidung stand eine Klage eines Einwohners der US-Bundeshauptstadt Washington gegen ein lokales Gesetz von 1975, das jeglichen Waffenbesitz im Hauptstadtgebiet - dem District of Columbia - verbot.

Die neun Verfassungsrichter urteilten mit fünf zu vier Stimmen, dass der 2. Verfassungszusatz jedem Individuum das Recht auf den Besitz und den Einsatz einer Waffe erlaube, sofern das zu einem "traditionellen rechtmäßigen Zweck" geschehe, zum Beispiel zur Selbstverteidigung in den eigenen vier Wänden. Ein generelles Verbot, wie es in Washington bestand, sei daher verfassungswidrig. Zudem kassierte das Gericht die Vorschrift, dass Waffen zu Hause entweder zerlegt oder durch ein Abzugsschloss gesichert aufbewahrt werden müssten.

Jedes Recht hat auch Grenzen

Zwei Jahre später präzisierte das Verfassungsgericht sein Waffen-Urteil: Im Fall "McDonald v. Chicago" stellten die Richter fest, dass das Besitzrecht in der Verfassung nicht nur in Gebieten wie dem District of Columbia gilt, die direkt der US-Bundesregierung unterstehen, sondern auf dem gesamten amerikanischen Staatsgebiet.

Das Verfassungsgericht stellte allerdings auch klar, dass jedes Recht eine Grenze hat - dass das Recht auf Waffenbesitz also nicht uneingeschränkt gelte. So sei es durchaus legitim, wenn aktenkundigen Kriminellen, Gewalttätern oder psychisch kranken Menschen der Besitz von Waffen per Gesetz verboten werde. Ebenso dürfe die Regierung reglementieren, wie und wo Waffen getragen und welche Waffen gehandelt werden dürften.

Mit dem Revolver in die Vorlesung

Auch nach den Verfassungsurteilen von 2008 und 2010 haben die US-Bundesregierung oder einzelne Gemeinden und Staaten daher die Möglichkeit, den Umgang mit Waffen zu begrenzen. Landesweit gibt es Tausende Vorschriften, die versuchen, den Waffenbesitz einzugrenzen. Eines der wichtigsten Gesetze auf Bundesebene war der sogenannte Brady Handgun Violence Prevention Act von 1993. Er war benannt nach James Brady, dem Pressesprecher von Ronald Reagan, der 1981 bei dem Attentat auf den Präsidenten schwer verwundet wurde. Der Brady Act schrieb erstmals vor, dass alle Waffenkäufer zuvor vom FBI überprüft werden müssen.

Das US-Verfassungsgericht kippte diese Pflichtüberprüfung jedoch 1997 wieder und überließ die Entscheidung dafür oder dagegen den Bundesstaaten. Viele Staaten behielten die Überprüfungsregel bei - allerdings gilt sie nur für offizielle Waffenhändler. Privatpersonen können Waffen weiterhin frei verkaufen, was vor allem auf den Gun Shows, den Waffenmessen, gang und gäbe ist.

Schulen sind seit 1995 frei von Waffen

Neben den Regelungen zum Waffenhandel auf Bundesebene gibt es in vielen Gegenden der USA allerdings Vorschriften, die zum Beispiel das Tragen verborgener Waffen verbieten oder beschränken. Zudem untersagen viele Gemeinden das Tragen von Waffen in öffentlichen Gebäuden wie Leihbüchereien oder Behörden. Gegen Waffen in Schulen gibt es seit 1995 ein eigenes Gesetz - den Gun Free School Zones Act. Danach dürfen Personen im Umkreis von etwa 330 Metern um eine Schule nicht bewaffnet sein, es sei denn, sie hätten eine offizielle Erlaubnis dazu.

Doch auch diese aus europäischer Sicht verhältnismäßig moderaten Einschränkungen werden von der Waffenlobby attackiert. Zum Beispiel im Bundesstaat Colorado, in dem zwei der blutigsten Schießereien der vergangenen Jahre stattfanden, das Columbine-Massaker 1999 in Littleton und die Bluttat in einem Kino in Aurora 2012: An der staatlichen Universität Colorados in Boulder war das Tragen von Waffen fast 40 Jahre lang verboten.

Ehrgeizigster Versuch galt nur für zehn Jahre

2008 klagte eine konservative Organisation gegen das Verbot - mit dem Argument, der Bundesstaat erlaube es seinen Bürgern schließlich auch auf anderen öffentlichen Grundstücken, Waffen mitzuführen. Im März dieses Jahres entschied der Oberste Gerichtshof von Colorado im Sinne der Kläger. Seitdem dürfen Studenten in Boulder mit einer Pistole im Gürtel zur Vorlesung kommen. Auch im Staat Illinois urteilte gerade ein Gericht, das verborgene Tragen von Waffen zu verbieten, sei verfassungswidrig.

Der wohl ehrgeizigste Versuch, der Waffenplage in den USA Herr zu werden, war der Assault Weapons Ban von 1994. Durch das Gesetz wurden Herstellung, Kauf, Verkauf und Besitz einer ganzen Kategorie von Schusswaffen für illegal erklärt, nämlich sogenannter halbautomatischer Gewehre und Pistolen, die nach dem Feuern automatisch die verschossene Patrone auswerfen und nachladen. (Vollautomatische Waffen schießen dagegen so lange, wie der Abzug gedrückt wird.)

Allerdings gab es in der Praxis zahlreiche Ausnahmen. Auch besonders große Magazine, die mehr als zehn Schuss enthalten, wurden durch das Gesetz verboten. Das Problem: Die Gültigkeit des Gesetzes war auf zehn Jahre beschränkt, am 13. September 2004 lief es aus. Alle Versuche, es wieder in Kraft zu setzen, sind gescheitert.

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