Universitäten:Türkische Opposition klagt gegen Kopftuch

Zwei von drei Türkinnen tragen Kopftuch. Die Frage, ob es an Universitäten erlaubt sein soll, sorgt für Streit in der Türkei. Die Opposition hat Klage beim Verfassungsgericht eingereicht - sie sieht die säkulare Natur des Landes in Gefahr.

Kai Strittmatter

Der Streit um das Kopftuch hat der Türkei eine turbulente Woche beschert. Zwei Oppositionsparteien reichten am Mittwoch beim Verfassungsgericht Klage ein gegen die Zulassung des Kopftuches an türkischen Universitäten.

Universitäten: Nach einer Verfassungsänderung sollen türkische Universitäten kopftuchtragende Studentinnen nicht länger abweisen dürfen.

Nach einer Verfassungsänderung sollen türkische Universitäten kopftuchtragende Studentinnen nicht länger abweisen dürfen.

(Foto: Foto: AFP)

Nach einer kürzlich erfolgten Verfassungsänderung argumentiert die Regierung, von dieser Woche an dürften Universitäten Studentinnen mit Kopftuch nicht länger abweisen. Viele Hochschulen weigern sich jedoch weiterhin.

Die Republikanische Volkspartei CHP und die Demokratische Linkspartei DSP erklärten am Mittwoch, sie sähen die säkulare Natur der Republik in Gefahr: "Wir sind zum Verfassungsgericht gegangen, um eine historische und wichtige Mission zu erfüllen", sagte CHP-Generalsekretär Önder Sav in Ankara: "Die Zulassung des Kopftuches würde all jene unter Druck setzen, die ihr Haar nicht bedecken."

Die Türkei ist das einzige Land Europas, welches das Kopftuch nicht nur an den Schulen, sondern auch an den Universitäten verbietet. Allerdings trat das Verbot erst nach dem Militärputsch von 1980 in Kraft und wurde lange recht unterschiedlich ausgelegt.

Die Kemalisten, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen und große Teile des Staatsapparates beherrschen, sehen im Kopftuch ein Symbol des politischen Islam. Deshalb habe es in öffentlichen Institutionen nichts zu suchen. Die Anhänger von Ministerpräsident Tayyip Erdogan und seiner islamisch geprägten AKP, aber auch manche Liberale, argumentieren dagegen, das Tragen eines Kopftuches sei eine Frage der persönlichen Freiheit.

Zwei von drei Türkinnen tragen Kopftuch, die Mehrheit der Bürger spricht sich in Umfragen für eine Freigabe an den Universitäten aus. Erdogan hat seinen Wählern immer wieder versprochen, dafür zu kämpfen.

Allgemein war erwartet worden, dass Erdogans AKP das Problem im Rahmen einer großen Verfassungsreform zu lösen versuchen werde. Dann aber überraschte die rechtsnationale Oppositionspartei MHP den Premier im Januar mit einem Vorstoß zur Zulassung von Kopftüchern an Hochschulen und Erdogans AKP schloss sich der Initiative an.

Mit den Stimmen von AKP und MHP verabschiedete das Parlament daraufhin eine Änderung zweier Verfassungsartikel, die Universitäten in Zukunft den Verweis von Studenten wegen ihrer Kleidung untersagt. Am Freitag vergangener Woche unterzeichnete Staatspräsident Abdullah Gül die Verfassungsänderung.

Die Regierung teilte daraufhin mit, von Anfang dieser Woche an dürften verhüllte Studentinnen die Universitäten betreten - eine Meinung, der sich jedoch die Mehrzahl der Universitätsrektoren offenbar noch nicht anschließt. Viele Rektoren gehören dem säkularen Lager an. Sie argumentieren nun, die Regierung müsse zusätzlich zur Verfassung auch das Hochschulgesetz ändern - diese Meinung teilt im Übrigen auch die MHP, die Anstifterin der Verfassungsinitiative.

Der von der AKP neu eingesetzte Vorsitzende des Hohen Erziehungsrates YÖK, Yusuf Ziya Özcan, hingegen bezichtigte die widerspenstigen Rektoren des Verfassungsbruchs und drohte mit strafrechtlicher Verfolgung. Im Moment ist die Lage unübersichtlich. Während Universitäten in Konya oder Gaziantep verhüllte Studentinnen willkommen hießen, kam es anderswo zu Rangeleien vor den Universitätstoren, weil Sicherheitsbeamte von Studentinnen weiterhin verlangten, das Kopftuch abzulegen.

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