Union nach der Europawahl:Das Merkel'sche Paradox

Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Europawahl

Das sei doch ein "solides Ergebnis": Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich durchaus zufrieden mit dem Abschneiden der CDU.

(Foto: REUTERS)

Ganz schön gehässig ätzen selbst gediegene Christdemokraten gegen die Kollegen in Bayern. Dabei kommt der CDU das schlechte Abschneiden der CSU bei der Europawahl durchaus gelegen. So lässt sich gut von zwei großen Problemen ablenken.

Von Robert Roßmann, Berlin

Einige können es dann doch nicht lassen. "Ich glaube, dass man Europawahlen nur gewinnen kann, indem man offen für Europa wirbt", sagt Armin Laschet. Beschimpfungen der EU-Kommission würden jedenfalls nicht helfen, das habe sich am Sonntag gezeigt. Die CSU werde jetzt aber sicher selbst untersuchen, "was da schiefgelaufen ist", ätzt der CDU-Vize.

Auch Christine Lieberknecht spottet fein über den Kurs der Schwesterpartei: Die Wähler möchten halt lieber wissen, "wofür wir Wahlkampf machen, und nicht, wogegen wir alles sind", sagt die Thüringer Ministerpräsidentin. Laschet und Lieberknecht sind an diesem Montag nicht die einzigen, die ihren Unmut über die CSU kundtun. Wer ohne Mikrofone mit CDU-Vorständen spricht, kann Ausbrüche von Häme erleben, die er gediegenen Christdemokraten kaum zugetraut hätte. Über die Jahre scheint sich auch in der CDU gewaltiger Ärger über die manchmal hochmütigen Bayern aufgestaut zu haben.

Dabei hat Angela Merkel an diesem Tag eigentlich eine andere Losung ausgegeben: Die CDU möge die CSU schonen, schließlich seien die Bayern durch ihr katastrophales Wahlergebnis bereits gedemütigt genug. "Wir sind uns in der CDU einig, dass die CSU ihr Ergebnis selbst analysieren wird", sagt die Kanzlerin - und weist gnädig darauf hin, dass es in der Vergangenheit oft die CSU gewesen sei, die für ein gutes Gesamtergebnis der Union gesorgt habe. Merkel weiß, wie waidwund die Schwesterpartei seit Sonntag ist. Da muss man sie nicht noch extra piesacken.

Außerdem verschafft der CSU-Einbruch der CDU ja auf beinahe paradoxe Weise Erleichterung. Für das schlechte Abschneiden der Union am Sonntag wird jetzt vor allem die CSU verantwortlich gemacht, Merkel und die Ihren kommen dagegen weitgehend ungeschoren davon.

Das CDU-Ergebnis gleicht einem Vexier-Bild

Der Wahlkampf sei "eine tolle Zeit" gewesen, schwärmt Merkel im Forum des Adenauer-Hauses. Mit dem Ergebnis könne die CDU "zufrieden sein". Die EVP sei die stärkste Fraktion im Europaparlament geworden, und in Deutschland liege die Union acht Prozentpunkte vor der SPD, das sei doch ein "solides Ergebnis", über das sich ihre Partei freue.

Aber so einfach ist es nicht. Mit dem CDU-Ergebnis ist es wie mit einem Vexier-Bild. Was man sieht, hängt davon ab, wie man es anschaut. Die Wohlmeinenden in der CDU weisen am Montag darauf hin, dass ihre Partei mit 30 Prozent das Ergebnis von 2009 praktisch gehalten habe. Damals war die CDU auf 30,7 Prozent gekommen. Bei der Zahl der absoluten Stimmen haben die Christdemokraten wegen der höheren Wahlbeteiligung sogar zugelegt. Doch das bringt der CDU wenig. Denn bei der Analyse von Wahlergebnissen hilft die rein arithmetische Betrachtung kaum. Und so hat die CDU - allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - seit Sonntag gleich drei Probleme. Neben der Schwäche der CSU und der Konkurrenz durch die AfD ist das vor allem die neue Lage in Europa.

Merkels Reputation in Deutschland gründet sich zu einem Gutteil auf ihren Einsatz in der Euro-Krise. Die Kanzlerin lebt von dem Eindruck, in Brüssel deutsche Interessen erfolgreich vertreten und damit Milliardenlasten von der Bundesrepublik ferngehalten zu haben. Dies dürfte ihr angesichts der Wahlergebnisse der Populisten in den anderen Mitgliedsstaaten künftig aber deutlich schwerer fallen. In Griechenland wurde Syriza am Sonntag stärkste Partei, in Frankreich der Front National - um nur zwei Länder herauszugreifen. Die Regierungen dieser Länder werden in Zukunft mit ganz anderer Härte um Kursänderungen der europäischen Politik kämpfen müssen, um von den Populisten nicht auch bei nationalen Wahlen hinweggefegt zu werden.

Neuer Sound der Europapolitik

Auch der Druck auf EZB-Präsident Mario Draghi, die Geldpolitik noch weiter zu lockern, um Wachstum zu ermöglichen, dürfte gewaltig steigen. Ob Merkel sich gegen diesen neuen Druck noch erfolgreich stemmen kann, ist fraglich. Damit ist aber auch ihre nationale Reputation gefährdet. Dies gilt umso mehr, als ihr in der AfD nun ein neuer Konkurrent am rechten Rand erwachsen ist, der jedes Zugeständnis Merkels an andere Mitgliedstaaten schonungslos nutzen wird.

Auf die Frage, ob sie ihren Europakurs jetzt ändern müsse, antwortet Merkel am Montag deshalb ausweichend. Sie sagt aber auch: "Die Themen liegen jetzt auf dem Tisch." Die neue Kommission werde sich vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit der EU, die hohe Arbeitslosigkeit und um Wachstum kümmern müssen. "Ich glaube, dass es jetzt vor allem um eine Politik geht, die bei den Menschen ankommt." Da ist er schon, der neue Sound der Europapolitik.

Sorgen bereitet der CDU die AfD schon. Am Montag versuchen die Christdemokraten zwar Gelassenheit zu verbreiten. Die Euro-Kritiker hätten in absoluten Zahlen nur das Stimmenergebnis der Bundestagswahl wiederholt, heißt es. Aber das klingt nach dem Pfeifen im Walde. Im Herbst werden die Landtage von Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewählt. Und ausgerechnet in diesen Ländern hat die AfD jetzt besonders gut abgeschnitten. In Sachsen kam sie sogar auf 10,1 Prozent. Für die CDU sind das nicht gerade gute Aussichten.

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