Union:Lohn des Amtsbonus

Die kleine Wahl an der Saar lässt die Union für die große im Bund hoffen: Beide Male soll sich Regierungserfahrung auszahlen.

Von N. Fried und Ch. Hickmann

Über wen redet der Mann hier eigentlich? Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, ist der erste prominente CDU-Vertreter, der sich am Sonntagabend vor eine Fernsehkamera stellt. Er preist die Wahlsiegerin und saarländische Parteifreundin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Worten, die ganz bestimmt nicht zufällig so klingen, als habe jemand ganz anderes auch die Wahl gewonnen, nämlich Angela Merkel.

Kleines Land, große Beachtung. Die Landtagswahl im Saarland und die möglicherweise komplizierte Regierungsbildung werden in Berlin mit Interesse verfolgt - bei der Kanzlerin, aber auch bei ihrer Konkurrenz. Selten war das Wort vom Stimmungstest so passend, denn tatsächlich ging es im Südwesten auch um die Frage, ob sich in Deutschland eine Wechselstimmung abzeichnet. Das Saarland taugte dafür durchaus als Indikator, weil die Konstellation so ähnlich ist wie die im Bund: Eine angesehene Regierungschefin muss sich einer mehr oder weniger vereinten Gegnerschaft von links erwehren, die getragen wurde von anschwellender Zuversicht.

Schulz geht noch am Wahltag auf Distanz zu rot-roten Koalitionsspekulationen

Und jetzt das. Große Freude über einen grandiosen Sieg herrsche in der CDU, sagt Michael Grosse-Brömer, der Niedersachse ist, weshalb die Mimik nicht umstandslos mit seinen Worten in Einklang zu bringen ist. Belohnt worden sei damit "unaufgeregte, sachorientierte Politik", so der CDU-Mann. "Seriöses Regieren zahlt sich aus, in unruhigen Zeiten möchten die Leute von jemandem regiert werden, dem sie vertrauen." Spätestens hier soll der Zuschauer natürlich die Ähnlichkeiten zwischen Kramp-Karrenbauer und Merkel erkennen. Ein "toller Start ins Wahljahr" sei das, sagt Grosse-Brömer, "wir sind gut gelaunt". Grosse-Brömer hat sich erkennbar vorgenommen, den Triumph nicht zu sehr sichtbar zu machen, den sie in der CDU-Zentrale verspürt haben müssen: Der ganze Hype um den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz hat sich erst einmal in Luft aufgelöst. Dabei war die Unruhe groß in der Partei, die Kanzlerin reagiere nicht hart genug auf den Herausforderer und müsse mehr Engagement, mehr Begeisterung zeigen. Merkel aber ist stets dabei geblieben, dass ihr wichtigster Beitrag zum Wahlkampf einstweilen sei, noch nicht wirklich Wahlkampf zu machen, außer im Saarland natürlich. Und dort hat es mindestens auch nicht geschadet: Mehrere Prozentpunkte Zuwachs verzeichnet die CDU. Wenn überhaupt nur ein minimaler Stimmenzuwachs für die Sozialdemokraten im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren. Und wie reagiert die SPD um Martin Schulz? Die kannte ja, zumindest demoskopisch gesehen, seit Wochen eigentlich nur noch eine Richtung: nach oben, nach vorn. Seit Schulz die Kanzlerkandidatur und den Parteivorsitz übernommen hatte, schien plötzlich, nach Jahren des Frusts und des Darbens, nichts mehr unmöglich zu sein. Der Schulz-Zug, wie die Genossen das Phänomen umschrieben, er rollte. Doch am frühen Sonntagabend deutet im Willy-Brandt-Haus nichts auf eine weitere sozialdemokratische Jubelorgie hin. In den vergangenen Wochen hatte die Partei nicht nur euphorisiert gewirkt, sondern mit einem Schlag auch deutlich verjüngt - weil massenweise Jusos aus Parteiveranstaltungen, die bis dahin von älteren Menschen dominiert wurden, regelrechte Happenings gemacht hatten. Doch nun, am Wahlabend, ist das Publikum im Willy-Brandt-Haus wieder etwas älter. Die Genossen stehen vor Würsten und Pils, was in diesem Fall ein wichtiges Detail ist, weil es womöglich die neue, demonstrative Verbundenheit der Sozialdemokraten mit den einfachen Menschen zeigen soll, und schauen schon um halb sechs kaum noch auf, als auf den Bildschirmen ein Wahlwerbespot der saarländischen SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger läuft. Fast wirkt es, als hätten sie die Sache bereits abgeschrieben. Dabei hatten sie so sehr darauf gehofft, der Schulz-Effekt würde sich statt nur in Umfragen nun endlich auch in einem Wahlergebnis niederschlagen. Tut er ja in gewisser Weise auch, aber nur, wenn man sich anschaut, wo die SPD an der Saar laut Umfragen vor der Schulz-Kür stand. Gemessen daran hat es doch ein kleinen Zuwachs gegeben. Das ist auch der einzige Trost, den Parteivize Ralf Stegner aus diesem Ergebnis zu ziehen vermag, als er sich den Fernsehkameras stellt. Aber er redet trotzdem nicht herum, man könne nicht zufrieden sein, sagt er, man müsse auf jeden Fall noch eine Schippe drauflegen. Draußen im Saal macht man nicht so viele Worte: Die Enttäuschung der Genossen, als sie die ersten zahlen sehen, äußert sich um 18 Uhr in einem leise gestöhnten "Uuh", als die Zahlen der CDU auf den Monitoren erscheinen. Und in Stille, als die erste Prognose für die SPD zu sehen ist. Der Schulz-Zug verliert an diesem Abend mindestens deutlich an Tempo - woraus sich für die Genossen mehrere Lehren ziehen lassen. Erstens hat auch die Stahlkraft des Kandidaten ihre Grenzen, zweitens tun sich Amtsinhaber offenbar nach wie vor leichter als die Herausforderer. Außerdem bleibt eine Frage: Wirkt Rot-Rot womöglich noch immer abschreckend genug, um Wahlen entscheiden zu können? Vor allem diese Frage dürfte der SPD in den nächsten Wochen noch zu denken geben.

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