Uni verweigert Verfassungsschutzchef Professur:Wieso die FU-Professoren Maaßen durchfallen ließen

Die FU Berlin verweigert dem designierten Verfassungsschutzchef Maaßen eine Honorarprofessur. Dass die Universität ihn vor allem wegen des Falles Kurnaz abkanzelt, überrascht. Denn Maaßen hat sich schon früh zu einer restriktiven Flüchtlingspolitik bekannt. Seine Gedankenwelt ist von Bedrohungsszenarien geprägt.

Johann Osel und Jan Heidtmann

Er sei genau der richtige Mann für die nötigen Reformen, ein "ausgewiesener Experte", ein "brillanter Jurist". Mit reichlich Vorschusslorbeeren überschüttete jüngst Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den neuen Mann für die Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Politiker der Grünen und der Linken werfen dem Beamten aber vor, er sei maßgeblich daran beteiligt gewesen, dem früheren Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz die Rückkehrrechte nach Deutschland zu entziehen. Von "menschlicher Kälte" ist die Rede.

Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen wird nicht Honorarprofessor an der FU Berlin.

(Foto: dpa)

Von solchen Bedenken haben sich nun offenbar viele Professoren und Angestellte der Freien Universität (FU) Berlin leiten lassen. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat der akademische Senat dem designierten Verfassungsschutzpräsidenten am 11. Juli den Titel eines Honorarprofessors verweigert. Die juristische Fakultät, von der die Verleihung beantragt wurde, konnte sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mit dem Vorschlag nicht durchsetzen - ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, da die Bestätigung eines Berufungswunsches durch die akademischen Gremien in der Regel als reine Formalie gilt. Eine Ablehnung ist absolut selten.

Die FU Berlin selbst gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab. "Zu Personalangelegenheiten können wir uns grundsätzlich nicht äußern", sagte ein Sprecher - zumal die Bestellung des Honorarprofessors im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung behandelt worden sei. Den Mitgliedern des Senats wurde zudem Schweigen verordnet. Im Senat sitzen 13 Professoren sowie zwölf Vertreter der Studentenschaft, der wissenschaftlichen und sonstigen Angestellten. Laut mehreren übereinstimmenden Berichten aus FU-Kreisen wurde die Mehrheit für die Berufung um drei Stimmen verfehlt.

Bei einer hitzigen Diskussion haben demnach mehrere Mitglieder Maaßens Agieren in der Causa Murat Kurnaz für unvereinbar mit den Grundwerten der Universität erklärt. Auf Grundlage seiner Expertise im Innenministerium wollte die damalige rot-grüne Regierung den unschuldig in Guantanamo inhaftierten Deutsch-Türken im Falle der Freilassung nicht einreisen lassen. Als traditionell eher linke Uni wolle man keinen ausgewiesenen Konservativen berufen, hieß es. Das Votum war knapp: "Die eine Hälfte des Senats schätzt Maaßen wohl gerade seiner Haltung wegen, die andere verabscheut sie."

Maaßen selbst sagte am Donnerstag in Berlin in einer Runde mit Journalisten: "Es ist mir schnurz, ob ich Honorarprofessor bin." Er brauche den Titel nicht, hätte ihn aber angenommen, aus Verbundenheit mit der Universität. In seinem Gutachten für den Fall Kurnaz habe er damals lediglich die rechtliche Regelung des Ausländerrechts beschrieben - von der rot-grünen Bundesregierung sei auch kein anderes Vorgehen politisch gewollt gewesen.

"Unerfreulich hohe Zahl der Einbürgerungen" extremer Islamisten

Dass die Professoren vor allem den Fall Kurnaz als Begründung für die Ablehnung heranziehen, erstaunt durchaus. Denn Maaßen, der seit 1991 im Bundesinnenministerium tätig ist und derzeit Abteilungsleiter für Terrorbekämpfung, hat sich schon seit den 90er Jahren in mehreren Schriften zu einer sehr restriktiven Flüchtlingspolitik bekannt. So kritisierte der 49-Jährige 1997 in einem Vortrag für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung massiv das Kirchenasyl für ausländische Flüchtlinge.

Es sei ein "gefährliches Leitmotiv unserer Zeit, das sich fast epidemisch ausgebreitet hat: Der Verstoß gegen die Rechtsnormen wird, wenn er einem vermeintlich hehren Ziel dient, als legitim angesehen." Maaßen vergleicht das Kirchenasyl mit den Protesten gegen Castortransporte und den Aktionen militanter Abtreibungsgegner in den USA, die selbst vor Morden nicht zurückschreckten. Dabei, so Maaßen, "bietet die Rechtsordnung den Kirchen ausreichend Raum, sich ohne Rechtsbruch für asylsuchende Ausländer einzusetzen". Diese Haltung überrascht, beschäftigt sich der Jurist in seiner ebenfalls 1997 erschienenen Dissertation gerade mit noch nicht ausgeschöpften Spielräumen einer restriktiveren Flüchtlingspolitik.

Die Gedankenwelt Maaßens, die vor allem aus Bedrohungen besteht, scheint sich über die Jahre verfestigt zu haben. 2011 beschäftigt er sich in einem Aufsatz in der Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik mit dem "Ganzheitlichen Bekämpfungsansatz" gegen islamistische Terroristen und dem Staatsbürgerschaftsrecht. Hier geht er der Frage nach, wie sich "die unerfreulich hohe Zahl der Einbürgerungen" extremer Islamisten "passgenau" beschränken lasse. Wenig "passgenau" empfiehlt Maaßen "vor dem Hintergrund des überwiegend jungen Lebensalters islamistischer Gefährder" schließlich, den Anspruch auf Einbürgerung "an ein bestimmtes Lebensalter zu knüpfen". Beobachter fragen sich, ob solche Ansichten auf dem Chefposten beim Verfassungsschutz passend sind - weil nach den rechtsextremen NSU-Morden eher Feingefühl für Zuwanderer erforderlich sei. Maaßen tritt die Nachfolge von Heinz Fromm an, der nach den NSU-Pannen um Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand gebeten hatte.

Unter den Professoren und Angestellten der FU soll es jedoch nicht nur Unmut über den Fall Kurnaz gegeben haben, sondern auch darüber, dass die Maaßen-Befürworter die Personalie "kalt" durchboxen wollten; zudem darüber, dass die Eignung für die Professur vom juristischen Fachbereich mit "ausgezeichneten Kontakten in die Politik" gerechtfertigt worden sei, und nicht zuvorderst mit der fachlichen Eignung. Oft wählen Universitäten namhafte Politiker aus, die sich mit dem Titel des Honorarprofessors schmücken dürfen.

Etwa Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sind an der FU Honorarprofessorinnen für Politikwissenschaft beziehungsweise Katholische Theologie. Laut dem Berliner Hochschulgesetz können auch Personen bestellt werden, die "auf Grund hervorragender wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistungen" die Anforderungen einer Professur erfüllen; in der Regel sollten sie eine mehrjährige selbständige Lehrtätigkeit an einer Hochschule vorweisen. Maaßen wird an der FU bereits seit 2001 als Lehrbeauftragter geführt.

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