Ungarn: Umstrittenes Mediengesetz:Konservativer Gegenwind aus Brüssel

Bisher haben sich die konservativen Parteien in der EU mit Kritik an Budapest zurückgehalten. Nun fordert mit Elmar Brok ein einflussreicher CDU-Europaabgeordneter eine Prüfung des Mediengesetzes. In Ungarn spüren Kritiker Konsequenzen.

Die rechtskonservative Regierung in Budapest gerät auf EU-Ebene nun auch unter Beschuss aus dem eigenen politischen Lager. Erstmals nimmt ein prominenter Politiker der EVP, dem Zusammenschluss christlich-konservativer Parteien in Europa, Ungarn bei seinem neuen, umstrittenen Mediengesetz in die Pflicht.

A protester wears tape over his mouth during a demonstration against a new media law in downtown Budapest

Aus Protest gegen das umstrittene Mediengesetz in Ungarn hat sich dieser Demonstrant den Mund mit Klebeband zugeklebt. Nun wurde ein Journalist aus einer Radiosendung geworfen, als er gegen die rigiden Regeln protestierte.

(Foto: REUTERS)

Die soeben beschlossene Gesetzesnovellierung bedürfe der "Klärung" durch die EU-Kommission, verlangt der einflussreiche deutsche EVP-Abgeordnete Elmar Brok in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau. Aus dem neuen Gesetz müsse "ein Ergebnis entstehen, das Pressefreiheit sichert", fordert der CDU-Politiker.

Brok verlieh der Sorge im Rest der EU Ausdruck, das neue Mediengesetz könne zur Zensur von Journalisten missbraucht werden. Sanktionen gegen Redaktionen dürften nur verhängt werden, wenn Werbe- oder Jugendschutzregelungen missachtet würden oder Pornographie verbreitet werde. Dagegen müssten "redaktionelle Schwerpunktsetzungen und journalistische Bewertungen" frei von staatlichen Kontrolleinflüssen bleiben, sagte der Europa-Abgeordnete.

Zuletzt hatten unter anderem CSU-Europaparlamentarier das Vorgehen der Fidesz-Partei von Premier Viktor Orbán verteidigt. Brok mahnt nun als erster EVP-Politiker seine Parteifreunde in Budapest zur Zurückhaltung: Orbán sei von den Wählern mit einer verfassungsgebenden Zweidrittel-Mehrheit ausgestattet worden. Dies fordere "umgekehrt ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein von dieser Mehrheit, damit die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung nicht abgebaut wird", so Brok.

Kritischer Journalist ausgeladen

Unterdessen ist erneut einem Journalisten seine Kritik an dem umstrittenen Mediengesetz zum Verhängnis geworden. Der staatliche Radiosender Kossuth hat einen Journalisten, der als Gast geladen war, aus einer Sendung geworfen. Sandor Jazsberenyi sagte der Wochenzeitung 168 ora, er habe am Dienstag in der Morgensendung eine Schweigeminute abhalten wollen, um seinen Protest gegen das neue Gesetz auszudrücken.

Nach Angaben der Onlineausgabe der Zeitung wurde die Sendung daraufhin nach einem kurzen Disput mit dem Moderator unterbrochen, um anschließend ohne Jazsberenyi weitergesendet zu werden. "Ich dachte, als Demokrat wäre es meine Pflicht, jedes mögliche Forum zur Verteidigung der Pressefreiheit zu nutzen", sagte der Journalist, der in der Sendung eigentlich über ein anderes Thema sprechen sollte.

In der vergangenen Woche waren bereits der Moderator Attila Mong und ein weiterer Redakteur suspendiert worden, nachdem sie in dem gleichen Radioprogramm aus Protest gegen das Mediengesetz eine Schweigeminute abgehalten hatten.

Das Gesetz des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sieht die Einrichtung eines sogenannten Medienrats vor, dem ausschließlich Mitglieder der Regierungspartei Fidesz angehören sollen. Das Gremium kann Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften, deren Berichte als "nicht politisch ausgewogen" erachtet werden, mit hohen Geldbußen belegen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat das Gesetz als "Bedrohung für die Meinungsfreiheit" kritisiert. Das Gesetz sei "ohne Beispiel" in der EU und drohe den Weg für "Zensur und Selbstzensur" zu öffnen.

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