Ungarn:Spät, aber nicht zu spät

Endlich leitet die EU ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Von Cathrin Kahlweit

Es ist nicht bekannt, ob sich Viktor Orbán insgeheim ärgert, weil er diesmal die Gegner unterschätzt und den Mund zu voll genommen hat; im Zweifel wird er gegenüber seinen Anhängern daheim das Vertragsverletzungsverfahren, das Brüssel am Mittwoch gegen Ungarn eingeleitet hat, als Sieg des notorischen Ungarn-Hassers George Soros und seines dichten Netzwerks in Europa darstellen. Was in seinen Augen nur ein Beweis dafür sein kann, dass er recht hat.

Tatsächlich aber zeigt das Vorgehen der EU-Kommission, die Hochschulgesetz, nationale Konsultationen und NGO-Gesetz infrage stellt, dass Orbán jeglichen Realitätssinn verloren hat. Die manipulativen Botschaften, mit denen gerade die ungarischen Bürger gegen die EU eingenommen werden sollen, sind zu krude, seine Verschwörungstheorien lächerlich.

Brüssel hat sehr spät reagiert, aber nicht zu spät. Einige ungarische Abgeordnete sind offenbar bereits mit einem Brief an ihre EVP-Fraktion zu Kreuze gekrochen; sie wollen einem Ausschluss zuvorkommen. Und auch in Ungarn mehren sich die Stimmen selbst von Orbán-Fans, dass der Premier diesmal zu weit gegangen sei. Die gute Nachricht ist: Neben den Protesten gegen die jüngsten Gesetze wächst in Ungarn auch die Wut über das ungerechte, Fidesz-freundliche Wahlgesetz; derzeit entsteht eine Bewegung, die das ändern will. Gut so, denn im kommenden Jahr sind in Ungarn Wahlen.

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