Ungarn:Orbáns Schießpulver-Reden

Viktor Orbàn

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán greift die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin an.

(Foto: Bloomberg)
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán startet pünktlich zum CDU-Parteitag eine Offensive gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin.
  • Budapest wirft Deutschland und anderen Staaten vor, den Schengen-Raum unter Ausschluss der osteuropäischen Staaten verengen zu wollen.
  • Eine enge Vertraute Orbáns behauptet, die Kanzlerin wolle die Europäer durch eine multikulturelle, globalisierte und muslimische Bevölkerung ersetzen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Parallel zur deutschen Debatte über den Kurs in der Flüchtlingsfrage und die mögliche Schwächung der Bundeskanzlerin - und pünktlich zum CDU-Parteitag - haben im osteuropäischen Ausland, vor allem in Ungarn, die Angriffe auf Angela Merkel an Schärfe zugenommen.

Auf einem Kongress der Regierungspartei Fidesz wurde am Wochenende eine Zehn-Punkte-Erklärung beschlossen, in der festgestellt wird, europäische Entscheidungsträger hätten Europa in die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg getrieben. Während Europa von humanitären Verpflichtungen spreche, würden die wahren Gründe für die Förderung illegaler Einwanderung verschleiert: der Import billiger Arbeitskräfte, die Rekrutierung von Massen neuer Wähler für die linken Parteien und die Unterdrückung der Mitgliedsstaaten durch eine zentralistische Bürokratie. Diejenigen, die diese Flüchtlingspolitik unterstützten, betrieben eine Meinungsdiktatur.

Orbán warnt vor einem "Mini-Schengen"

Zugleich veröffentlichte die ungarische Regierung von Viktor Orbán eine Erklärung, warum Ungarn sich - gemeinsam mit den anderen Visegrad-Staaten Polen, Tschechien und der Slowakei - dem Quotensystem widersetze und eine eigene Initiative gestartet habe, die "Freunde von Schengen" heißt. Demnach müsse man für die Schengen-Privilegien der Visegrád-Staaten kämpfen, da Österreich, Belgien, Deutschland, die Niederlande und Schweden offenbar planten, unter Ausschluss der östlichen Nachbarn ein "Mini-Schengen" zu begründen.

Das sei absurd, so Orbán in seiner allwöchentlichen, freitäglichen Rundfunkansprache, weil einzig Ungarn die Schengen-Grenzen wirklich beschützt habe. Man werde außerdem in Brüssel zehn Punkte vortragen, warum die Verteilungsquote für Flüchtlinge inakzeptabel sei und warum der "Hinterzimmer-Deal" der EU mit der Türkei von Ungarn bekämpft werde. "Schießpulver liegt in der Luft" in Europa, so Orbán.

Westliche Politiker seien "von Selbsthass getrieben", konstatiert eine Historikerin

Während sich die Angriffe des Premiers und der Fidesz-Delegierten nur mittelbar gegen Deutschland richteten, fokussierte eine enge Vertraute des Premiers, die Historikerin Mária Schmidt, sich in ihrer Kritik auf die Person Angela Merkel. Die Kanzlerin möge keine Demokratie, schreibt sie in einem viel diskutierten Aufsatz in dem rechtskonservativen Geschichts-Blog Látószög, "Auf dem Weg zur Selbstzerstörung", denn Merkel ziehe große Koalitionen vor und könne daher nicht zwischen links und rechts unterscheiden. Merkel und ihre Anhänger versuchten, die Deutschen und die Europäer durch eine multikulturelle, globalisierte und muslimische Bevölkerung zu ersetzen.

Die Beschwichtigungspolitik der Kanzlerin, wenn es um die Gefahren durch Flüchtlinge gehe, sei "erbärmlich". Deutschland müsse endlich das fruchtlose Ritual der Selbstbezichtigungen und Selbstvernachlässigung beenden; westliche Politiker seien aber "von Selbsthass getrieben".

Deutsche Journalisten, so die Holocaust-Forscherin und Leiterin des "Haus des Terrors" in Budapest, seien gehalten, nur positiv über Flüchtlinge zu berichten, wobei sich Schmidt hier auf den Verschwörungstheoretiker Udo Ulfkotte bezieht. Dabei übersehe man in Berlin aber, dass etwa die "Sarazenen im 17. und 18. Jahrhundert massenhaft Sklaven" aus Europa verschleppt hätten.

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