Ungarn:Orbán entzaubert

Der Premier hat sich zweimal verkalkuliert. Es tut sich was in Ungarn.

Von Cathrin Kahlweit

Viktor Orbán ein zweites Mal innerhalb von wenigen Wochen gescheitert: Das ist ein echter Schockeffekt in einem Land, in dem der Ministerpräsident längst als unbesiegbar galt. Aber Orbán hatte sich verkalkuliert: Die Verfassungsänderung, mit der die Ansiedlung von Flüchtlingen im Land untersagt werden sollte, scheiterte im Parlament, wie schon das Referendum im Oktober gescheitert war, mit dem sich der Ungar ein machtvolles Votum gegen die Flüchtlingspolitik der EU holen wollte.

Damals schaffte es die Regierung trotz einer monströs teuren und aggressiven Werbekampagne nicht, so viele Menschen an die Urnen zu bringen, dass das Quorum erreicht wurde; diesmal stimmt die rechtextreme Jobbik-Partei, die Orbán für das Gesetz gebraucht hätte, nicht mit der Regierungspartei Fidesz. Jobbik hatte einen politischen Deal verlangt, den Orbán ablehnte; dessen Kalkül - Jobbik würde schon einlenken, weil das Volk diese Verfassungsänderung fordere - ist nicht aufgegangen. Orbán ist entzaubert.

Dies mag eine Momentaufnahme aus einem zutiefst gespaltenen Land sein. Aber da tut sich was: Die extreme Rechte, die sich seit einiger Zeit betont bürgerlich gibt, und die linke Opposition entwerfen Planspiele, wie man auf Zeit gemeinsame Sache machen könnte gegen die Regierung. Dafür nehmen sie in Kauf, dass die Regierung sie nun "Bastarde und Heimatverräter" nennt.

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