Ungarn:Orbán entlarvt sich selbst

Der Premier hat Europas Wertegemeinschaft längst verlassen.

Von Cathrin Kahlweit

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat in den vergangenen Tagen mit seinen Urteilen zur ungarischen Flüchtlingspolitik mehr für die Menschenrechte getan als die hilf- und kraftlose EU in mehreren Jahren. Vor wenigen Tagen urteilte Straßburg, Asylbewerber dürften in Ungarn nicht grundlos inhaftiert werden. In der Nacht zum Dienstag stoppte der EGMR dann mittelbar das Asylgesetz, das am Dienstag in Kraft trat, indem er die Verlegung von acht Jugendlichen und einer Schwangeren in eines der neuen Containerdörfer untersagte.

"Nonsense" und "surreal" nannten wütende Regierungsvertreter die ersten Urteile, der Fraktionsvorsitzende der Fidesz-Partei regte den Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention an, wenn das Gericht die Urteile nicht wieder kassiere. Das wäre dann also die nächste Eskalationsstufe im Entfremdungsprozess zwischen Budapest und der EU. Ungarn, das unter anderem mit Verweis auf die Verteidigung europäischer und christlicher Werte so radikal gegen Migranten vorgeht, verließe damit die Gemeinschaft derer, die sich eben diesen Menschenrechten verschrieben haben.

Andererseits wäre es auch ein Ende der Lügen. Viktor Orbán hat sich rhetorisch wie faktisch längst aus der Wertegemeinschaft verabschiedet, die er zu retten vorgibt. Straßburg zeigt das auf. Brüssel schaut immer noch zu.

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