Ungarn:Feldzug gegen die Zivilgesellschaft

Billionaire And Founder Of Soros Fund Management LLC George Soros

Man werde George Soros - hier bei einem Interview in London - aus vielen Ländern "verjagen", hat Ungarns Premier Viktor Orbán angekündigt.

(Foto: Jason Alden/Bloomberg)

Die Regierung nimmt NGOs ins Visier, die der Philanthrop George Soros unterstützt.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Geht es nach Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsidenten, dann sind Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen "bezahlte Aktivisten", die unzulässigen Einfluss auf den ungarischen Staat nehmen wollen. Sie seien, heißt es von Vertretern seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei, "Agenten", die "fremde, gegen die Nation gerichtete Interessen" verfolgten und aus internationalen Finanzkreisen "Schmiergeld" bekämen, um das Land auszubeuten.

Schon 2014 gab es eine schwarze Liste, bestimmte Vereinigungen wurden unter Druck gesetzt

Die meisten dieser Formulierungen stammen zwar aus dem Jahr 2014, als die Budapester Regierung schon einmal zum Angriff auf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) blies. Aber sie werden gerade wieder aufgewärmt. Damals wurde eine schwarze Liste erstellt, auf Politik, Umwelt, Minderheiten oder Kultur fokussierte Vereinigungen wurden unter Druck gesetzt und durchsucht. In ein paar Fällen wurden Ermittlungen wegen Steuerbetrugs eingeleitet. Letztlich vergeblich: Die NGOs wehrten sich juristisch, europäische Regierungen protestierten. Orbán nahm damals vor allem NGOs ins Visier, die aus der EU und dem EU-affiliierten Norwegen finanziert wurden. Und Organisationen, die Geld vom ungarisch-amerikanischen Milliardär und Philanthropen George Soros bekommen.

Nun ist die nächste Runde eingeläutet worden, und diesmal geht es vor allem gegen Soros. Der Anlass, wenn auch nicht der Grund: die Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump. Die scheidende US-Regierung unter Barack Obama hatte Ungarn immer wieder wegen der Unterdrückung von Meinungsfreiheit kritisiert, ein diplomatischer Krieg zwischen der US-Botschaft und der ungarischen Regierung war die Folge. Soros wiederum hat Obama-Nachfolger Trump einen "Möchtegern-Diktator" genannt; sein Kabinett sei voll von "inkompetenten Extremisten und Ex-Generälen". Trump könnte eine Jagd auf Soros also gutheißen, befürchtet die ungarische Bloggerin Eva Balogh. Sie warnt: "Zu Trumps ersten Opfern könnten die ungarischen NGOs gehören." Auch Peter Kreko vom angesehenen Thinktank Capital Institute vermutet, Orbán sehe eine günstige Gelegenheit, um Soros' Einfluss im Land zu vermindern; schließlich sei auch Trump bekennender Gegner des Milliardärs.

Auch der künftige US-Präsident ist ein erklärter Gegner von Soros

Mehr als 60 Institutionen in Ungarn erhalten Geld von der Open Society Foundation (OSF), die Soros sponsort, darunter die Central European University in Budapest, Transparency International und das Helsinki Komitee. Die OSF hat sich zum Ziel gesetzt, Länder beim Übergang vom Kommunismus zur Demokratie zu unterstützen. Dem regierungsnahen Onlineportal 888.hu sagte Orbán kürzlich, man werde Soros bald auch aus vielen anderen Ländern verjagen. "2017 wird das Jahr sein, in dem jene Kräfte vertrieben werden, die Soros symbolisiert", so Orbán.

Vize-Parteichef Szilárd Németh hat ankündigt, man werde alle vorhandenen Mittel nutzen, um von Soros finanzierte Organisationen und "Pseudo-Zivilisten" aus dem Land zu schaffen, weil sie "politische Korrektheit über nationale Interessen von Regierungen" stellten. Das Parlament werde bald eine Vorlage debattieren, nach der staatliche Einrichtungen NGOs strenger durchleuchten dürften. So zitieren der Guardian und Bloomberg Szilard Németh. Ein Sprecher der OSF sagte dem Guardian, man werde selbstredend in Ungarn bleiben, aber dies sei ein "Testfall" für Europa.

Offenbar ist geplant, dass Leiter von Nichtregierungsorganisationen in Zukunft ihr Vermögen offenlegen müssen, wie es schon jetzt für hochrangige Staatsbedienstete gilt. Die potenziell Betroffenen befürchten nun Anklagen wegen Spionage und andere strafrechtliche Ermittlungen. Das Gesetz soll spätestens im April im Parlament beschlossen werden. Eva Balogh schreibt in ihrem Blog Hungarian Spectrum, viele Orbán-Gegner hätten lange auf die EU gesetzt, die das undemokratische Vorgehen der Regierung nicht dulden werde. Aber außer ein paar Ermahnungen sei nichts passiert.

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