Unfreiwilliger Werbeauftritt:Obama in der Selfie-Falle

U.S. President Barack Obama poses with player David Ortiz for a 'selfie' as he welcomes the 2013 World Series Champion Boston Red Sox to the South Lawn of the White House in Washington

Baseball-Spieler David Ortiz mit US-Präsident Obama im Rosengarten des Weißen Hauses

(Foto: Reuters)

Ein Selbstporträt eines Baseball-Stars mit dem Präsidenten? Warum nicht! Von wegen: Barack Obamas jüngste Selfie-Ablichtung empört das Weiße Haus - weil offenbar wie beim berühmten Oscar-Selfie die Marketing-Abteilung eines Elektronikkonzerns dahintersteckt.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Ach Selfies, ihr habt eure Unschuld verloren! Ihr lieblichen kleinen Selbstporträts, die ihr inzwischen einer ganzen Generation Heranwachsender den Namen gebt, seid für ahnungslose Prominente inzwischen eine echte Marketingfalle. Euer neuestes Opfer: Barack Obama.

Der US-Präsident ist bekanntermaßen ein Anhänger der Handy-Schnappschüsse. Legendär ist sein Staatslenker-Selfie während der Trauerfeier für Nelson Mandela (Tumblr-Kategorie: "Selfies at funerals"):

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Selfie des Jahres 2013: Britischer Premier Cameron, Dänemarks Regierungschefin Thorning-Schmidt und US-Präsident Obama.

(Foto: AFP)

Obama kennt die Wirkung solcher Kumpelbilder, die nicht nur Nähe signalisieren. Die beiden amerikanischen Wissenschaftsstars Bill Nye (links) und Neil deGrasse Tyson mögen höhere Beliebtheitswerte haben, den seriöseren Halsschmuck trägt immer noch der Präsident:

Nun könnte allerdings die Selfie-Begeisterung Obamas einen Dämpfer erhalten haben. Am Dienstag waren die amtierenden Baseball-Meister von den Boston Red Sox im Weißen Haus zu Gast - und der Besuch hat ein Nachspiel.

Die Sportler zerbrachen zwar kein Porzellan im Weißen Haus und trugen sogar ansehnliche Krawatten, doch der Selfie von David "Big Papi" Ortiz mit Obama war möglicherweise alles andere als ein spontaner Schnappschuss.

Ortiz' Tweet erhielt nicht nur 40 000 Retweets, sondern auch Lob und eine Twitter-Werbeanzeige von Samsung. Samsung!? Wir erinnern uns: Der angeblich so spontane Hollywoodgrößen-Selfie bei den Oscars entpuppte sich als schlichter Marketing-Gag des koreanischen Elektronikriesen, um Werbung für ein Smartphone zu machen. Damals sagte Obama übrigens, dies sei ein "ziemlich billiger Trick gewesen".

Image posted by Oscars show host Degeneres on her Twitter account shows movie stars posing for a picture taken by Cooper at 86th Academy Awards in Hollywood, California

Marketing-Selfie des Jahres 2014? Ellen DeGeneres und die versammelte Hollywood-Elite.

(Foto: Reuters)

Nun ist der US-Präsident offenbar selbst reingefallen: Vor einiger Zeit hat Ortiz einen Werbevertrag mit Samsung Mobile unterschrieben, die Red Sox haben ebenfalls einen Werbedeal mit dem Unternehmen, wie die Washington Post berichtet. Ortiz dementiert zwar, dass das Foto damit etwas zu tun hätte; der Elektronikriese jedoch gibt zumindest zu, dass man über die Möglichkeit von Fotos gesprochen habe - ohne zu wissen, was genau passieren werde. Und in der Tat weiß ja jeder Selfie-Macher: Außerhalb der eigenen vier Wände kann alles passieren.

Das Weiße Haus ist offenbar wenig erfreut, zumal intensive Social-Media-Nutzer wie Ortiz vor solchen Terminen eine Einführung in die Etikette erhalten. Man sei grundsätzlich gegen die Verwendung von Bildern des Präsidenten in Werbeanzeigen, zitiert CBS-Reporter Mark Knoller die Regierung.

Um Löschung hat das Obama-Team nicht gebeten - doch dürfte sich der Präsident künftig etwas in Schnappschuss-Zurückhaltung üben. Europäische Politiker bleiben von solchen Problemen verschont: Geschickt schaffen sie es, mit Körperhaltung und Gesichtsausdruck dafür zu sorgen, dass ihre Selfies nicht für Marketing-Zwecke entfremdet werden können.

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