Unabhängigkeitsreferendum:Lange Schlangen vor Wahllokalen in Katalonien

Unabhängigkeitsreferendum: Unterstützer der katalanischen Unabhängigkeit versammlen sich am frühen Wahlsonntag vor der "Escola Industrial" in Barcelona, die als Wahllokal dienen soll.

Unterstützer der katalanischen Unabhängigkeit versammlen sich am frühen Wahlsonntag vor der "Escola Industrial" in Barcelona, die als Wahllokal dienen soll.

(Foto: AP)
  • Die spanische Zentralregierung in Madrid versucht weiterhin zu verhindern, dass die Katalanen am Sonntag ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten.
  • Die Polizei hat etwa die Hälfte der geplanten Wahllokale abgeriegelt, 163 weitere sind wiederum durch Aktivisten besetzt.
  • Hunderte Menschen haben sich am Sonntagmorgen rund um die Wahllokale versammelt.
  • Einem Regierungssprecher zufolge hat die Guardia Civil mittlerweile die technische Infrastruktur für die Abstimmung blockiert.

Am Tag des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien haben sich die Separatisten rund um die Wahllokale versammelt, viele haben dort sogar übernachtet. Dadurch wollen sie verhindern, dass die Polizei die Abstimmung über die Unabhängigkeit von Spanien verhindert.

Die Sicherheitsbehörden hatten am Tag zuvor 1300 von 2315 Schulen abgeriegelt, die als Wahllokale dienen sollten. Am Sonntagmorgen brachen Einheiten der paramilitärischen Guarda Civil von Schiffen im Hafen vor Barcelona in die Stadt auf.

Aktivisten sollen der spanischen Regierung zufolge 163 der Wahllokale besetzt haben. Am Abstimmungsmorgen bildeten sich lange Schlangen vor den öffentlichen Gebäuden. Die Befürworter des Referendums setzten sich damit über Gerichtsurteile hinweg, wonach die Abstimmung illegal ist und die Wahllokale geschlossen bleiben müssen. Die Separatisten rechnen mit einer Beteiligung von Zehntausenden, etwa 5,3 Millionen Spanier wären bei offiziellen Wahlen in Katalonien wahlberechtigt.

Polizei soll elektronische Abstimmung verhindern

Die Guardia Civil besetzte zudem nach Angaben der Regionalregierung das Telekommunikations- und IT-Zentrum Kataloniens CTTI. Nach Angaben der Zeitung El Mundo waren die Beamten in Zivil. Die Zentralregierung in Madrid bestätigte, durch eine Blockade des Systems habe man die missliebige Abstimmung "annuliert". Das oberste Gericht Kataloniens hatte am Freitag die Polizei angewiesen, eine elektronische Abstimmung zu verhindern.

Das spanische Innenministerium und die Polizei selbst bestätigten das Vorgehen zunächst nicht. Mittlerweile sagte aber der höchste Vertreter der Zentralregierung in Katalonien, Enric Millo, die Polizei habe die technische Infrastruktur für die Abstimmung zerstört. Die Guardia Civil hätte in der Zentrale von CTTI die Software für die Übermittlung der Ergebnisse aus den Wahllokalen und für Internetanträge zerstört. Millo schloss aus, dass unter diesen Umständen ein "effektives Referendum" noch abgehalten werden könne "mit rechtlichen Garantien und verbindlich in der Art, wie die katalanische Regionalregierung es versprochen hat".

Die Zentralregierung in Madrid hat Tausende Polizisten in die Region geschickt, um das Votum zu verhindern. Sie beruft sich dabei auf die Verfassung. Demzufolge ist Spanien ein unteilbarer Staat.

Spaniens Ministerpräsident Rajoy bezeichnet Abstimmung als "illegal"

Die Regionalregierung von Carles Puigdemont will am Sonntag trotzdem um 9 Uhr in ganz Katalonien insgesamt 3215 Wahllokale öffnen. Die eingetragenen Wahlberechtigten sollen ihre Stimme bis 20 Uhr abgeben dürfen. Beobachter gehen davon aus, dass die Menschen in der Region am Sonntag zu Hunderttausenden auf die Straßen gehen werden - unabhängig davon, ob die Wahllokale geöffnet werden oder nicht.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte bis zuletzt, das Referendum sei illegal und werde nicht stattfinden. Das Verfassungsgericht hatte sowohl das "Referendumsgesetz" als auch das "Abspaltungsgesetz" der Katalanen gekippt. Die Polizei wurde von der Generalstaatsanwaltschaft angewiesen, die Öffnung der Wahllokale und die Abgabe von Stimmen zu verhindern. Spaniens Außenminister Alfonso Dastis bezeichnete das geplante Referendum als undemokratisch: "Die Katalanen, die ein Teil Spaniens sind, können nicht allein für das ganze Land entscheiden", sagte er. "Worauf sie dringen, ist nicht Demokratie - es ist eine Verhöhnung der Demokratie, ein Zerrbild der Demokratie."

Diejenigen unter den Katalanen, die gegen die Unabhängigkeit oder auch "nur" gegen die Abhaltung eines illegalen Referendums sind, wollen nicht teilnehmen. Unter anderem auch, um der Abstimmung keine "Legitimität" zu verschaffen. Sollte tatsächlich so etwas wie eine Abstimmung stattfinden, ist deshalb von einem Sieg des "Ja"-Lagers auszugehen. Allerdings haben sich der spanischen Zeitung El País zufolge in Umfragen der vergangenen Jahre nie mehr als 48,5 Prozent der Befragten für ein unabhängiges Katalonien ausgesprochen.

Die Regionalregierung will bei einem Votum für die Abspaltung innerhalb von nur 48 Stunden die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen. Das Abspaltungsgesetz sieht unter anderem die Ausarbeitung einer katalanischen Verfassung, die Abhaltung von Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres sowie die Aneignung von Besitz des spanischen Staates in Katalonien vor.

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