UN-Menschenrechtsrat:Kompromisse mit Autokraten

UN-Menschenrechtsrat - Joachim Rücker

Joachim Rücker, 1951 in Schwäbisch Hall geboren, ist seit 2014 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen in Genf.

(Foto: Tim Brakemeier/dpa)

Bald endet der deutsche Vorsitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. So manche Resolution war umstritten. Eine Bilanz.

Von Ronen Steinke, Genf

Wenn an diesem Montag die Herbstsitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen beginnt, wird der deutsche Diplomat Joachim Rücker zum letzten Mal als Präsident auf dem Podium sitzen. Deutschland hat den Vorsitz des UN-Gremiums seit 1. Januar inne, im nächsten Jahr wird ihn ein anderes Land übernehmen. So manche Resolution, die unter deutscher Führung im Menschenrechtsrat verabschiedet wurde, war höchst umstritten. Joachim Rückers Markenzeichen ist der Konsens; Kampfabstimmungen hat er meist zu vermeiden gewusst. Dafür hat er Resolutionen auf den Weg gebracht, die oft so zurückhaltend abgefasst waren, dass ihnen auch Mitglieder wie China, Saudi-Arabien und Kasachstan zustimmen konnten.

Ein Erfolg aus Sicht der deutschen Diplomaten ist etwa der Umgang mit dem Thema Irak gewesen. Zu Beginn dieses Jahres prangerten Beobachter die Barbareien der Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land an - zugleich aber auch Massaker, die von schiitischen Milizen mit Unterstützung der Bagdader Regierung verübt wurden. Bagdad wies die Vorwürfe entrüstet von sich. In den Gremien der UN war das politischer Zündstoff. Iraks Regierung zürnte gegen die UN, weil auch deren Hochkommissar für Menschenrechte beide Seiten im Irak anprangerte. Dann folgte der UN-Menschenrechtsrat, angeführt von Deutschland - mit einer Resolution, die allerdings fast alle Hinweise auf Verstrickungen der irakischen Regierung ausließ. Bagdad selbst hatte diesen Text vorbereiten dürfen. So wich man dem Streit aus.

Draußen löste diese Resolution vom 27. März Kopfschütteln aus, Human Rights Watch reagierte entsetzt. Drinnen im UN-Menschenrechtsrat aber verteidigen die Deutschen den Text als geglückten Kompromiss. Joachim Rücker räumt ein, dass die Abwägung schwierig sei. "Gestalten wir eine Resolution so, dass im Menschenrechtsrat ein Konsens möglich wird, oder lassen wir es auf eine Kontroverse und eine Abstimmung ankommen?"

An der Zusammensetzung des UN-Menschenrechtsrats gibt es seit Langem Kritik. Die 47 Mitgliedstaaten sind größtenteils Autokratien. Doch "was wäre denn, wenn wir uns auf internationaler Ebene ausschließlich mit anderen westlichen Demokratien über Menschenrechte unterhalten würden?", fragt Rücker. "Ich meine, ein reiner Klub der Gleichgesinnten würde nichts bringen." Weil Demokratien in der Minderheit sind, können sie bei Kampfabstimmungen fast nur verlieren. Im März gab es eine von Ägypten eingebrachte Resolution, derzufolge man angesichts von Terror die Menschenrechte zurückstellen müsse. Die westlichen Staaten protestierten, die anderen aber waren in der Mehrheit. Es kam zur Abstimmung. Nun gebe es eine Resolution, "über die man als Deutscher nicht glücklich sein kann", sagt Rücker.

Die Menschenrechts-Abteilung der UN erhält nur drei Prozent vom Gesamtbudget. Sie hat keinen anderen Auftrag als den, Berichte und Resolutionen zu produzieren. Völkerrechtlich bindend sind diese nicht. Auf die Frage, ob sich das alles lohnt, antwortet Rücker mit einer Anekdote: "Kürzlich haben wir einen erschütternden Bericht unseres Sonderberichterstatters zu Nordkorea gehört. Das hat immerhin bewirkt, dass erstmals der Außenminister Nordkoreas in den Menschenrechtsrat kam und sich rechtfertigte." Überzeugend sei das nicht gewesen. "Aber immerhin: Er kam. Manchmal werden Dinge ausgelöst, die vielleicht erst mittel- oder langfristig Wirkungen haben."

Am 7. Dezember entscheiden die Mitglieder, wer im Jahr 2016 nachfolgt. Nach dem Regionalproporz ist ein asiatisches Land an der Reihe. Saudi-Arabien hat Interesse angemeldet. Nach einem ersten Stimmungstest hat es seine Bewerbung aber wieder zurückgezogen.

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