UN-Bericht zu Boko Haram:Eine Viertelmillion Nigerianer sind auf der Flucht

Abducted girls protest in Yola

In Adamawa, einem der drei nordnigerianischen Bundesstaaten im Ausnahmezustand, trifft die Frau des Gouverneurs, Hajia Nyako, den Repräsentanten des Gouverneurs, Murtala Abdurrahman. Im Namen nigerianischer Frauenrechtlerinnen überreicht sie ihm einen Protestbrief über das Verhalten der Regierung bei der Entführung der Schülerinnen in Chibok.

(Foto: dpa)

Die Kämpfe im Norden Nigerias hat bereits einer Viertelmillion Menschen ihre Heimat geraubt, sagt der UN-Flüchtlingsrat. Zugleich erheben Menschenrechtler im Fall der mehr als 200 entführten Schülerinnen schwere Vorwürfe gegen die Behörden des Landes.

Im Norden Nigerias sind nach UN-Angaben etwa 250 000 Menschen auf der Flucht vor Gewalt. Etwa 61 000 weitere suchen Schutz in den Nachbarländern Kamerun, Tschad und Niger, teilte das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) unter Berufung auf nigerianische Behörden mit. Die Binnenflüchtlinge und Vertriebenen berichten demnach von extremer Gewalt und Brutalität.

Im muslimisch geprägten Norden Nigerias kämpft unter anderem die radikalislamische Sekte Boko Haram für einen Gottesstaat auf Grundlage der Scharia. Die Armee hatte im vergangenen Mai eine Offensive gegen die Gruppe in den Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa gestartet und den Ausnahmezustand verhängt, konnte die Region aber nicht unter ihre Kontrolle bringen. Erst vor wenigen Tagen waren 300 Menschen bei einem Angriff - mutmaßlich von Boko Haram - ums Leben gekommen, kurz darauf wurden während der Beerdigung weitere 30 Menschen bei einem Anschlag auf eine Brücke getötet.

Weltweit hat der Überfall der Boko Haram auf eine Schule im Bundesstaat Borno für einen Aufschrei gesorgt. Dort waren Mitte April Hunderte Mädchen verschleppt worden, noch immer fehlt von mehr als 200 von ihnen jede Spur.

Amnesty International erhebt in diesem Fall schwere Vorwürfe gegen die nigerianischen Behörden. Es gebe "ausreichend Beweise" dafür, dass "die nigerianischen Sicherheitskräfte es versäumten, auf Warnungen von Boko Haram zu reagieren".

Nach Amnesty-Angaben erhielt das Militär vier Stunden vor dem Überfall auf die Schule in Chibok eine entsprechende Warnung. Der zuständige Kommandeur sei aber nicht in der Lage gewesen, ausreichend Soldaten für einen Einsatz in der Stadt zu rekrutieren. Amnestys Afrikadirektor Netsanet Belay sprach von einem "groben Verstoß Nigerias gegen seine Pflicht zum Schutz von Zivilisten". Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wies die Anschuldigungen zurück. "Der Bericht ist nur eine Ansammlung von Gerüchten", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Das nigerianische Verteidigungsministerium gab an, die Sicherheitskräfte seien nun rund um die Uhr im Einsatz. Die Luftwaffe habe bereits mehr als 250 Suchflüge absolviert, sagte ein Sprecher. Zwei Armeeeinheiten seien im Norden an den Grenzen zum Niger, zum Tschad und zu Kamerun im Einsatz.

In einem Bekennervideo hatte Boko Harams Sektenführer Abubakar Mohammed Shekau die Versklavung und Zwangsverheiratung der Schülerinnen angekündigt. Zuvor war bereits gemutmaßt worden, dass die Mädchen in den Tschad und nach Kamerun gebracht worden seien.

An der Suche nach den Mädchen beteiligen sich auch Militärexperten aus den USA und Großbritannien. US-Außenamtssprecherin Jen Psaki sagte, dass sieben Militärangehörige des US-Regionalkommandos für Afrika (AFRICOM) sowie ein Experte des Außenministeriums vor Ort seien. Am Samstag sollen zudem weitere Kräfte in Abuja eintreffen.

Das US-Team werde die Ermittlungen unterstützen und bei Verhandlungen zur Geiselbefreiung helfen. Außerdem würden die Experten das nigerianische Militär bei seinen Einsatzplanungen beraten und Geheimdienstinformationen bereitstellen. In der US-Botschaft in Abuja wurde ein Krisenzentrum eingerichtet.

Die amerikanische First Lady Michelle Obama will am Samstag in der wöchentlichen Radioansprache des US-Präsidenten anstelle ihres Mannes Barack sprechen und das Schicksal der entführten Schulmädchen thematisieren - auch anlässlich des bevorstehenden Muttertages, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses.

Die Witwe des verstorbenen südafrikanischen Nationalhelden Nelson Mandela, Graça Machel, appellierte an die Behörden in Nigeria sowie die internationale Gemeinschaft, die Suche nach den Mädchen zu verstärken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: