Umwelt:Miese Luft - EU verklagt Deutschland

Die Kommission zieht vor den Europäischen Gerichtshof, weil die Grenzwerte in vielen Städten noch immer überschritten werden. Das Umweltbundesamt sieht jetzt nur eine Chance, Diesel-Fahrverbote abzuwenden.

Von Michael Bauchmüller und Thomas Kirchner, Brüssel/Berlin

Angesichts der schmutzigen Luft in deutschen Städten hat die EU-Kommission die Geduld mit der Bundesregierung verloren und zieht vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). "Wir haben lange gewartet, wir können nicht länger warten", sagte Umweltkommissar Karmenu Vella am Donnerstag in Brüssel. Auch Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien werden verklagt, weil sie die vereinbarten Grenzwerte nicht einhalten. Entscheidet der EuGH im Sinne der Kommission, drohen hohe Bußgelder.

Die Luftqualität in Deutschland verbessert sich zwar langsam, doch wurde der seit 2010 verbindliche Wert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft 2017 noch in 66 Städten überschritten, in Stuttgart sogar erheblich. Der Grund sind vor allem Abgase aus älteren Diesel-Fahrzeugen. Die Kommission hatte schon 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Deutschland seither mehrmals ermahnt. Die Bundesregierung antwortete mit einem Paket von Maßnahmen, zudem will die deutsche Autoindustrie die Emissionen von Diesel-Fahrzeugen mit Software-Updates senken. Nach Ansicht der Kommission reicht das aber nicht.

"Diese Klage verdeutlicht nochmals, dass wir in Deutschland erheblichen Handlungsbedarf haben", sagte Maria Krautzberger, Chefin des Umweltbundesamtes, der Süddeutschen Zeitung. Seit Jahren sei klar, wie es um die Luft bestellt ist. Nötig sei, ältere Dieselfahrzeuge nachzurüsten. "Nur so lassen sich Diesel-Fahrverbote vermeiden." Fahrverbote wären laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zwar möglich. Sie gelten aber in der Regierung als unpopulär, weil auch vergleichsweise neue Fahrzeuge betroffen wären.

Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen sieht Deutschland auf "sehr gutem Weg" zu besserer Luft. Den Kommunen werde mit "beispiellosen Förderprogrammen" geholfen, man werde "sehr schnell Fortschritte haben". Der Bund hat einen eine Milliarde Euro schweren Fonds aufgelegt, um Kommunen zu unterstützen - etwa bei der Umrüstung von Busflotten. Doch auch der Deutsche Städtetag verlangt die verpflichtende Nachrüstung älterer Autos. "In erster Linie bleibt die Automobilindustrie in der Pflicht, die Diesel-Fahrzeuge sauberer zu machen", sagte Städtetag-Chef Helmut Dedy.

Parallel treibt Brüssel ein 2016 gestartetes Verfahren im Abgasskandal um Volkswagen voran. Hier fordert die Kommission nun weitere Auskunft von der Bundesregierung und wirft ihr massive Versäumnisse vor: Deutschland habe Volkswagen nicht für die Manipulation von Schadstoffwerten bestraft und nicht ausreichend überwacht, ob die Hersteller Vorschriften einhalten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wies den Vorwurf "aufs Schärfste" zurück. Kein anderer EU-Staat habe "so umfassende und strenge Maßnahmen ergriffen wie Deutschland".

Die Kommission schlägt außerdem erstmals Grenzwerte für Lastwagen vor: Deren CO₂-Ausstoß soll im Schnitt bis 2030 um mindestens 30 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen. Bis 2025 soll er um 15 Prozent fallen.

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