Umwelt:Ein Milliarden-Versprechen

Das bevölkerungsreiche Indien will Einwegplastik abschaffen.

Von Arne Perras

Als das winzige Ruanda vor zwölf Jahren beschloss, Plastiktüten zu verbannen, wurde es noch von vielen belächelt. Doch dann zog der afrikanische Staat den Plan durch, während größere und reichere Länder kaum etwas gegen die Plastikflut unternahmen. Nun aber kommt eine bemerkenswerte Nachricht aus Indien: Der bald bevölkerungsreichste Staat will bis 2022 Einwegplastik abschaffen, Umweltminister Harsh Vardhan verkündete dies als "feierliches Versprechen". Premierminister Narendra Modi bekräftigte den Plan mit einem Appell: "Lasst uns alle zusammenkommen und die Verschmutzung durch das Plastik besiegen."

Wie so oft lag Pathos in Modis Worten, sie klangen wie die indische Variante von "Yes, we can". Nun steht Delhi in der Pflicht. Gelingt das Vorhaben, wäre dies ein bedeutsamer Schritt im globalen Kampf gegen den Plastikmüll. Indiens Initiative könnte helfen, die Ozeane zu entlasten. Zwar rangiert das Land bisher nicht unter den schlimmsten Verschmutzern der Meere. Am stärksten sündigen China, Indonesien und die Philippinen. Indien folgt erst auf Platz zwölf, wie Forscher für das Magazin Science errechneten. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik in Südasien ist eher bescheiden. Ein Amerikaner verbraucht im Jahr zehn Mal so viel Kunststoff wie ein Inder. Doch die Mittelschicht auf dem Subkontinent wächst, und damit steigt der Bedarf an Kunststoffen aller Art.

Wenn ein Milliardenvolk umsteuert, so hat dies globales Gewicht. 15 000 Tonnen Plastikabfall produziert Indien pro Tag, fast die Hälfte wird nie eingesammelt. "Insofern begrüßen wir die Ankündigung der Regierung", sagt Ravi Agarwal von der Umweltorganisation Toxics Link in Delhi. "Wir wissen aber auch, dass es sehr kompliziert wird, den Plan umzusetzen." Agarwal berichtet, die Regierung arbeite an einem neuen Verpackungsgesetz, "die Details sind bisher nicht öffentlich". Insofern fischen alle im Trüben, wie Delhi sein Versprechen umsetzen will. Verpackungen in Indien bestehen größtenteils aus Einwegplastik. Ob sie verboten werden oder Hersteller oder Käufer sie einsammeln müssen, damit sie recycelt werden, ist unklar. "In jedem Fall werden radikale Schritte nötig sein", sagt Agarwal.

Obgleich Plastikteile weniger als zehn Prozent vom Müllvolumen Indiens ausmachen, sind sie überall sichtbar. Sie häufen sich an Straßen, verstopfen Flüsse und Kanäle. Selbst in den Mägen der heiligen Kühe landet immer mehr Plastik. Modis Regierung will das alles ändern, was insofern ins Bild passt, als der Premier dem Dreck in Indien schon 2014 den Kampf angesagt hat. "Clean India" heißt seine Kampagne, die er mit großem Getöse anschob. Fortschritte gibt es, doch einen Durchbruch hat er nicht erzielt. Sein Versprechen, den Fluss Ganges zu säubern, konnte er bislang nicht einlösen.

Der Premier scheint wenig auszurichten gegen die stinkende Kloake und all die Gifte, die Indiens Ströme verpesten. Mit seiner Kampagne wollte Modi glänzen, doch nun spürt er Grenzen, weil viel Macht bei den Bundesstaaten liegt, weil Korruption und träge Bürokraten Fortschritte ausbremsen. Insofern sind die Inder gespannt, wie der Premier seinen neuesten Plan gegen das Einwegplastik durchpeitschen will.

Korrektur: In einer ersten Version dieses Artikels hieß es, Indien sei auf Platz 18 der weltweiten Verschmutzer der Meere. Richtig ist jedoch, dass das Land den zwölften Platz belegt.

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