Umsturz in der Ukraine:Ausgeraubt, abgebrannt

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Ein junges Mädchen blickt am 28. Februar in der Kiewer Innenstadt aus einem öffentlichen Verkehrsbus.

(Foto: AFP)

Der Kassensturz des ukrainischen Premiers Jazenjuk zeigt: Milliarden Euro sind auf Offshore-Konten verschwunden. Das Land braucht dringend Geld. Europa ist es der Bevölkerung schuldig, in dieser Notlage zu helfen.

Ein Kommentar von Frank Nienhuysen

Die Krise in der Ukraine ist zusammengerührt wie ein komplizierter Cocktail: Die empfindsame russische Großmacht-Seele fließt ebenso hinein wie der Wunsch der neuen Regierung in Kiew, den Machtwechsel so schnell wie möglich unumkehrbar zu machen. Dass diese Regierung mit ihrer ruppigen Abwertung der russischen Sprache die heikle Lage auf der Krim befeuerte, macht die Lage im Land nur noch schwieriger. Schön bei all dem, dass manches nun auch leichter geht.

Österreich zum Beispiel hat jetzt wegen des Verdachts auf Korruption das Vermögen von 18 Ukrainern eingefroren. Noch weiter geht die Schweiz. Sie sperrt nicht nur Konten der ehemaligen ukrainischen Machtclique rund um den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch; sie leitete sogar Ermittlungen wegen Geldwäsche ein. Noch vor vier Wochen hatte sich im Westen niemand dazu durchringen können. Jetzt aber geht dies scheinbar spielend leicht, da die Betroffenen längst das Weite gesucht haben und der ehemalige ukrainische Herrscher machtlos und für Europa ungefährlich in Russland aufgetaucht ist. Manches wäre der Ukraine womöglich erspart geblieben, hätte Europa schneller so zupackend reagiert.

Auch sonst macht der Westen nicht gerade bella figura in dem schwierigen Konflikt. Der ukrainische Jungpremier Arsenij Jazenjuk wird zwar mit vielen warmen Worten moralisch unterstützt. Ansonsten aber tut man so, als habe man den dramatischen Kassensturz des neuen Regierungschefs nicht wahrgenommen. Stimmt es, was Jazenjuk sagt, dann hat er in der Haushaltskasse gerade noch 310 000 Euro gefunden - Dutzende Milliarden dagegen sind auf ausländischen Offshore-Konten verschwunden.

Die Europäische Union überlegt nun, ob sie nicht ein angebotenes Hilfspaket von 600 Millionen Euro auf bis zu eine Milliarde Euro ausweiten sollte. Aber schon der Internationale Währungsfonds mahnt erst einmal Reformen in Kiew an. Tatsächlich braucht die Ukraine deutlich mehr Geld, und das auch noch dringend. Europa ist es der ukrainischen Bevölkerung eigentlich auch schuldig, in dieser Notlage schnell zu helfen.

Noch aber spielt die Europäische Union lieber auf Zeit, zumindest was das Assoziierungsabkommen angeht, das ja der Auslöser für all die Dramen der vergangenen Wochen gewesen war. Ein wenig kann Brüssel Kiew im Moment noch hinhalten, auch um die sensiblen Gemüter im Kreml und auf der Krim nicht noch weiter zu reizen. Doch lange darf diese Ungewissheit über die Anbindung des Landes nicht anhalten.

Denn genau das ist es ja, was die Finanzbuchhalter in Europa der Ukraine vorgerechnet hatten: Das Abkommen mit der EU stärkt das osteuropäische Land, gibt ihm eine klare Perspektive und Aussichten auf Wachstum. Der Westen muss also Wort halten, sonst schwindet das Vertrauen der Kiewer Regierung wieder. Und das der Bevölkerung in ihre eigene Führung ebenso. Wer kann das jetzt wollen?

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