Ägypten nach Mursi:Wieder viele Tote bei Straßenschlachten

Mindestens sieben Tote und mehr als 200 Verletzte in Ägypten: Bei neuen Protesten werfen Mursi-Anhänger mit Steinen und zünden Reifen an, die Polizei verschießt Tränengas und Gummigeschosse. Erstmals seit dem Umsturz besucht ein hochrangiger westlicher Regierungsvertreter das Land.

Bei den Unruhen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind in der Nacht zum Dienstag mindestens sieben Menschen getötet worden. 261 weitere Personen wurden verletzt, teilte der ägyptische Ambulanzdienst mit. Zehntausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi waren in Kairo und anderen Städten des Landes auf die Straße gegangen.

Die heftigsten Auseinandersetzungen spielten sich im Umkreis der 6.-Oktober-Brücke ab, wie die Tageszeitung Al-Ahram berichtete. Mursi-Anhänger hatten die Brücke, die über den Nil führt, mit Lastwagen und brennenden Autoreifen blockiert. Die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Diese warfen Steine gegen die Sicherheitskräfte. Etwa 40 Personen wurden nach Medienangaben festgenommen.

Auch in anderen Stadtteilen Kairos zogen Sympathisanten Mursis und der Muslimbrüder auf die Straßen. Zehntausende kamen zur Rabaa-Adawija-Moschee, wo die Anhänger der Islamisten seit Wochen eine Mahnwache abhalten. Eine weitere große Ansammlung gab es vor der Universität von Kairo. Proteste wurden auch aus Alexandria und Assiut gemeldet. Kleinere Ausschreitungen ereigneten sich in Gizeh, wo unweit von Kairo die weltberühmten Pyramiden stehen.

Die Ausschreitungen fielen allerdings insgesamt kleiner und spärlicher aus als nach der Entmachtung Mursis durch das Militär Anfang Juli. Nach dem bislang schwersten Zwischenfall vor einer Woche, als Dutzende Mursi-Anhänger vor einer Kaserne von Soldaten erschossen wurden, war die Atmosphäre bei den Protesten der vergangenen Tage zwar angespannt, es blieb aber bis Montagabend relativ friedlich.

Stellvertretender US-Außenminister besucht Ägypten

Bei einem Besuch in Kairo rief der stellvertretende US-Außenminister William Burns die Akteure in dem tief gespaltenen Land zu Dialog und Gewaltverzicht auf. Der Spitzendiplomat ist der erste hochrangige amerikanische und auch westliche Regierungsvertreter, der das Land nach dem Umsturz vom 3. Juli besucht.

"Wir werden nicht versuchen, irgendein Modell aufzuzwingen", erklärte Burns nach seinen ersten Gesprächen in der ägyptischen Hauptstadt außerdem. Washington lege aber Wert auf "gewisse demokratische Prinzipien". Der US-Emissär war zuvor mit den Spitzen der Übergangsregierung in Kairo zusammengetroffen. Unter ihnen waren Übergangspräsident Adli Mansur, Ministerpräsident Hasem al-Beblawi sowie Militärchef Abdel Fattah al-Sisi, der eigentlich starke Mann im ägyptischen Machtgefüge. Dagegen traf Burns weder Vertreter der Muslimbruderschaft noch der Tamarod-Bewegung, die mit Massendemonstrationen den Sturz befeuert hatte.

Presidential handover aftermath

Mursi-Anhänger in Kairo

(Foto: dpa)

Der amerikanische Nahost-Diplomat will bis Dienstag in der Nil-Metropole bleiben. Die USA verlangen - wie Deutschland - die Freilassung Mursis. Dieser wird seit seiner Entmachtung vom Militär an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage festgehalten. Zunächst war nicht bekannt, ob Burns in seinen Gesprächen den Verbleib Mursis ansprach und wie seine ägyptischen Gesprächspartner darauf reagierten.

Die USA unterstützen Ägypten mit jährlichen Hilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar. Davon sind 1,3 Milliarden Dollar für das Militär bestimmt. Diese Zahlungen müssten nach US-Rechtslage eingestellt werden, falls Washington den Umsturz als Militärputsch einstuft.

Die Demonstranten wollen die Proteste bis zur Freilassung Mursis fortsetzen. Mursi war am 3. Juli vom Militär nach Massenprotesten abgesetzt worden. Seitdem kamen mindestens 92 Menschen ums Leben. Die Armee hatte den Präsidenten entmachtet, nachdem Millionen Menschen gegen ihn auf die Straßen gegangen waren, weil sie eine schleichende Islamisierung ihres Landes fürchteten. Die Anhänger Mursis fordern dessen Wiedereinsetzung und berufen sich dabei auf ihre Siege bei demokratischen Wahlen.

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