Umstrittenes Gesetz:Knesset verbietet Israel-Boykott

Juristen sprechen von einem "schwarzen Tag" für das israelische Parlament: Die Knesset hat ein Gesetz verabschiedet, das Boykott-Aufrufe gegen die israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland unter Strafe stellt. Die Regelung ist selbst in Jerusalem hoch umstritten: Menschenrechtler kündigen Widerstand an.

Das israelische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das Aufrufe zum Boykott der israelischen Siedlungen im Westjordanland faktisch unter Strafe stellt. Für das Gesetz stimmten am Montagabend nach stundenlanger hitziger Debatte 47 Parlamentarier, gegen das Gesetz 38 Abgeordnete. Viele der insgesamt 120 Abgeordneten blieben der Abstimmung fern, darunter auch Israels Premier Netanjahu.

Umstrittenes Gesetz: Blick in die Knesset: Das israelische Parlament hat am Montagabend das umstrittene Boykott-Gesetz verabschiedet.

Blick in die Knesset: Das israelische Parlament hat am Montagabend das umstrittene Boykott-Gesetz verabschiedet.

(Foto: AFP)

Das Gesetz verbietet Boykottaufrufe gegen Menschen, Organisationen oder Produkte "des israelischen Staates, einer seiner Institutionen oder eines von ihm kontrollierten Gebietes". Wer zu einem Boykott aufruft, kann mit Strafen von bis zu umgerechnet 10.000 Euro belangt werden. Der Initiator des neuen Gesetzes, Zeev Elkin von der Likud-Partei, hatte im Vorfeld der Abstimmung betont, das Gesetz ziele nicht darauf ab, Menschen zum Schweigen zu bringen. Ziel sei der Schutz israelischer Bürger.

Israelische Friedensaktivisten und Intellektuelle haben immer wieder zu einem Boykott von Produkten aus und kulturellen Veranstaltungen in den jüdischen Siedlungen im Westjordanland aufgerufen. Der Siedlungsbau erschwert in ihren Augen den Friedensprozess.

Das Gesetz ist in Israel hoch umstritten: Oppositionsführerin Zipi Livni sprach von einem "schlechten, ungerechten und nicht verfassungsgemäßem Gesetz". Damit solle eine legitime politische Debatte in Israel unterbunden werden. Das Gesetz verletze Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, sagte der Sprecher mehrerer Menschenrechtsgruppen, Idan Ring. "Es ist wirklich absurd, dass die Opfer der israelischen Besatzung den Besatzern Schadensersatz zahlen sollen", sagte Ring. Vor der Abstimmung hatte der Rechtsberater der Knesset Eyal Yanon erklärt, Teile des Gesetzes bewegten sich am Rande der "Illegalität und vielleicht darüber hinaus".

Widerstand gegen das Gesetz kündigte auch die israelische Aktivistengruppe "Frieden jetzt" an. "Wir haben nicht die Absicht, uns an das Gesetz zu halten und werden gegen das Gesetz eine Kampagne starten, denn jeder, der Produkte der Siedlungen kauft, trägt dazu bei, dass die Besetzung (des Westjordanlandes) fortbesteht", sagte Hagit Ofran, ein Verantwortlicher der Gruppe, der Nachrichtenagentur AFP. Auf ihrer Facebook-Seite rief "Frieden jetzt" zur Unterzeichnung einer Petition gegen das Gesetz auf.

Kritiker befürchten außerdem, die neue Regelung werde schlechtes Licht auf Israel werfen. Der Rechtsprofessor und frühere Justizminister des Landes, Amnon Rubinstein, sagte im israelischen Rundfunk, "die Feinde Israels werden diesen Text nutzen, um zu behaupten, dass Israel keine Demokratie ist und die Menschenrechte nicht achtet." Er sprach von einem "schwarzen Tag für die Knesset", das israelische Parlament.

Die Siedlungsfrage ist einer der kritischsten Punkte im Konflikt zwischen Israel und Palästinensern. Im September vergangenen Jahres waren nach 20-monatiger Pause die Nahost-Friedensverhandlungen wieder aufgenommen, wenige Wochen später jedoch erneut auf Eis gelegt worden, weil Israel ein Moratorium für den Siedlungsbau aufhob.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: