Urteil in Malaysia:Prozess wegen Homosexualität - Freispruch für Oppositionsführer Anwar

Bei einer Verurteilung drohten ihm 20 Jahre Haft - nun hat das Verfahren gegen den malaysischen Oppositionspolitiker Anwar Ibrahim ein überraschendes Ende gefunden: Der 64-Jährige wurde vom Vorwurf der Homosexualität freigesprochen. Anwar kündigte an, bei den anstehenden Wahlen gegen die seit 1957 regierende Umno-Partei anzutreten.

Malaysias Oppositionsführer Anwar Ibrahim ist nach einem weltweit umstrittenen Prozess wegen angeblicher Homosexualität ein freier Mann. Ein malaysischer Richter beendete das Verfahren am Montag überraschend mit einem Freispruch. Es gebe nicht genügend Beweise, um die Anschuldigungen zu stützen, sagte er. Bei einem Schuldspruch hätten Anwar bis zu 20 Jahre Haft gedroht.

Anwar Ibrahim Acquitted On Sodomy Charges

Erleichterung nach dem Freispruch: Vor dem Gerichtsgebäude in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur zeigte sich Oppositionsführer Anwar Ibrahim gemeinsam mit seiner Frau (rechts neben ihm) vor jubelnden Anhängern.

(Foto: Getty Images)

Dem Oppositionspolitiker war eine homosexuelle Beziehung zu seinem früheren Mitarbeiter Saiful Bukhari Azian vorgeworfen worden. Homosexualität ist im überwiegend muslimischen Malaysia illegal. Internationale Organisationen wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sowie ausländische Medien hatten die Vorwürfe gegen Anwar jedoch in Zweifel gezogen und einen Schauprozess vermutet. "Das Verfahren gegen Anwar war politisch motiviert und durchzogen von Unregelmäßigkeiten", hieß es nach Prozessende von Seiten der Organisation Human Rights Watch.

"Gott sei Dank, es wurde Gerechtigkeit geübt"

Der Beschuldigte zeigte sich nach dem Urteil erleichtert: "Gott sei Dank, es wurde Gerechtigkeit geübt", sagte Anwar. Der 64-Jährige umarmte seine Frau, seine Kinder und andere Oppositionspolitiker. Vor dem Gerichtsgebäude brachen Tausende Anhänger Anwars in Jubel aus.

Überschattet wurde der Freispruch von mehreren Explosionen in Kuala Lumpur. Die kleinen, aber lauten Detonationen ereigneten sich kurz nachdem der Politiker das Gericht verlassen hatte. Fünf Menschen mussten dem örtlichen Polizeichef zufolge leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Über die Ursache der Explosionen gibt es unterschiedliche Angaben: Beamte vor Ort sagten, es seien lediglich laute Feuerwerkskörper hochgegangen. Die Zeitung The Star berichtete jedoch, nach den Explosionen seien Batterien und Kabel gefunden worden, was auf selbstgebastelte Sprengsätze hindeute.

Der Oppositionsführer richtete seinen Blick unterdessen in die Zukunft: "Nach diesem wichtigen Sieg ist mein Kopf jetzt frei für die Arbeit", sagte Anwar. Er versprach seinen Anhängern, bei den nächsten Wahlen werde die jetzige "korrupte" Regierung abgelöst. Die Abstimmungen müssen spätestens im Frühjahr 2013 stattfinden. Premierminister Najib Razak kann sie aber auch früher ausrufen.

Anwar gilt als vielversprechender Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Der 64-Jährige will die seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1957 regierende Umno-Partei und ihre Koalitionspartner stürzen. Das hatte er bei einer Kundgebung vor Zehntausenden Anhängern am Wochenende bekräftigt.

Beobachter vermuten hinter Urteil Kalkül

Anwar hatte die Vorwürfe gegen seine Person stets als absurd bezeichnet und der Regierungskoalition ein Komplott vorgeworfen, um seine politische Karriere zu beenden. Die Anklage erfolgte 2008 wenige Wochen nach einem beispiellosen Wahlerfolg von Anwars Wahlbündnis Pakatan Rakyat (Volksallianz). Er verhinderte damals erstmals die sonst übliche Zweidrittelmehrheit der Koalition.

Der Freispruch habe viele Menschen überrascht, weil die Mehrheit ebenfalls an die Komplott-Theorie glaubte, sagte Johann Tan, Direktor der Menschenrechtsorganisation Pusat Komas. Das Ergebnis könnte der Regierungskoalition Sympathien und damit Stimmen für die nächsten Wahlen bringen. Dazu passt, dass die malaysische Regierung verlauten ließ, sie begrüße das Urteil. Es beweise, dass Malaysia eine unabhängige Justiz habe, erklärte Informationsminister Rais Yatim.

Anwar war bereits im Jahr 2000 in seiner Zeit als stellvertretender Ministerpräsident wegen des Vorwurfs homosexueller Kontakte zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Er verbrachte sechs Jahre im Gefängnis. Anwar hatte auch diese Anschuldigungen zurückgewiesen. Das Urteil wegen Homosexualität wurde später aufgehoben.

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