Umstrittene Volksabstimmung in Griechenland:Banken machen Schuldenschnitt von Referendum abhängig

Ein Schuldenschnitt sollte Griechenland aus der Krise helfen - doch nun relativieren die deutschen Banken ihre Zustimmung: Man wolle erst das Ergebnis des geplanten Referendums abwarten. Premier Papandreou hatte zuvor die Rückendeckung seiner Minister bekommen: Das Kabinett sprach sich geschlossen für eine Volksabstimmung aus.

Es sollte ein Ausweg aus der Krise werden: In Brüssel einigte sich die Eurozone auf einen deutlichen Schuldenschnitt für Griechenland. Private Gläubiger wie Banken und Versicherer sollen auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber den Hellenen verzichten.

Doch nun relativieren die deutschen Banken ihre Zustimmung zu einem solchen Schritt. Sie halten eine vollständige Umsetzung des Pakets zur Linderung der Eurokrise vor dem geplanten Referendum in Griechenland für unrealistisch. "Wir sollten keine vollendeten Tatsachen schaffen, bevor das Referendum durch ist", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, in Berlin.

Die Institute wollten abwarten, was die Volksabstimmung in Griechenland bringe. Die Banken hofften, dass die Griechen den EU-Vorgaben zur Rettung des Landes zustimmen werden, sagte Kemmer. Falls sie ablehnten, werde es "ganz schwierig" und die Karten würden völlig neu gemischt.

Griechisches Kabinett gibt Papandreou Rückendeckung

Am Montagabend hatte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou überraschend angekündigt, das Volk über das Rettungspaket abstimmen zu lassen. "Wir werden kein Programm zwangsweise umsetzen, sondern nur mit dem Einverständnis der griechischen Bevölkerung", begründete er seinen Vorstoß.

Rückendeckung bekam er von seinem Parlament: In einer siebenstündigen Krisensitzung sprach das griechische Kabinett Papandreou geschlossen seine Unterstützung für das Referendum aus, wie Regierungssprecher Ilias Mossialos am in Athen mitteilte.

Eine Sonderkommission werde sich mit dem Datum und der genauen Frage der Volksabstimmung beschäftigen. Zunächst aber müsse der Text des Hilfsprogramms und der damit verbundenen Sparmaßnahmen stehen, so der Sprecher weiter. Bisher rechnen Beobachter damit, dass die Abstimmung frühestens im Januar abgehalten werden könnte.

Die konservative griechische Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) lehnt das geplante Referendum strikt ab und fordert eine Neuwahl. Parteichef Antonis Samaras sagte im griechischen Parlament. "Die Regierung ist verwirrt und muss jetzt weg". Er fügt hinzu: "Was haben Sie für ein Ziel Herr Papandreou, Griechenland aufzulösen?"

Der entscheidende Moment für Papandreous Regierung wird am Freitag kommen. Der griechische Premier wird die Vertrauensfrage stellen, seine sozialistische Regierungspartei Pasok hat allerdings nur noch eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen im 300-köpfigen Parlament. Aus Regierungskreisen verlautete auch, dass zwei Minister noch starke Vorbehalte gegen eine Volksabstimmung hätten.

Griechenlands Premier räumte ein, dass es vermutlich zu weiteren Marktturbulenzen kommen werde, diese würden jedoch nur temporär sein. Einige Spekulanten spielen "verrückt", weil sie Angst vor den Entscheidungen des Volkes hätten, zitierte ein Mitarbeiter Papandreou.

Die Märkte hatten am Dienstag entsetzt auf die überraschende Ankündigung des Referendums vom Montag reagiert. Sollte die Entscheidung der Griechen "Nein" lauten, droht eine ungeordnete Insolvenz des Landes mit noch stärkeren Verlusten für die Gläubiger und einem möglichen Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone.

Schäuble verteidigt Hilfszusagen für Griechenland

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) appellierte an die griechische Regierung, das Referendum zügig durchzuführen. "Es wäre hilfreich, wenn so rasch wie möglich Klarheit geschaffen würde, welchen Weg Griechenland gehen möchte", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Greece's PM Papandreou arrives for a cabinet meeting inside the parliament in Athens

Griechenlands Premier Papandreou bei seiner Ankunft beim Krisentreffen im Parlament in Athen. Das Kabinett hat einstimmig für die Referendumspläne des Premier gestimmt.

(Foto: REUTERS)

Zugleich hält er an seiner Unterstützung für das angeschlagene Land fest. "Ich habe immer gesagt: Wenn Griechenland die Lasten und Mühen der Hilfsprogramme und Reformen auf sich nehmen will, wenn es in der Euro-Zone bleiben will, dann werden wir es unterstützen", sagte Schäuble der Financial Times Deutschland. Die Schuldenkrise könnten die Staaten der Euro-Zone nur gemeinsam bewältigen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wandte sich derweil gegen eine Neuverhandlung des beschlossenen Hilfsprogramms für Griechenland. Die Maßnahmen seien mühevoll beschlossen worden und lägen nicht wieder für neue Verhandlungen "auf dem Tisch", sagte Westerwelle.

Merkel war nicht vorgewarnt

Trotz der drohenden Staatspleite steht Griechenland vor der Auszahlung neuer Hilfen aus dem Rettungspaket der Eurostaaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die sechste Tranche soll bis 11. November an die griechische Regierung überwiesen werden, berichtet die Bild-Zeitung. An den Krediten über insgesamt acht Milliarden Euro sei Deutschland über die staatseigene KfW-Bankengruppe mit 1,7 Milliarden Euro beteiligt.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bestätigte der Zeitung, dass die Auszahlung in Vorbereitung sei: "Das ist ein koordinierter Prozess, der jetzt läuft." Wie die Zeitung weiter berichtet, wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von dem geplanten Referendum in Griechenland völlig überrascht. Sie sei von Premierminister Giorgos Papandreou nicht vorgewarnt worden, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Stattdessen sei Merkel über eine Eilmeldung auf ihrem Handy über die Pläne zur Volksabstimmung informiert worden.

Führende Ökonomen in Deutschland fürchten bei einem Scheitern des geplanten Griechenland-Referendums über das nächste Rettungspaket verheerende Folgen für das Finanzsystem in der Euro-Zone. Bei einem Nein im Plebiszit drohe das "Schuldenevent", das mit den Beschlüssen vermieden werden sollte. "Die Kreditausfallversicherungen würden gezogen, die befürchteten Schockwellen durch das Finanzsystem wären wohl nicht zu vermeiden", sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, Handelsblatt Online.

Auch der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, warnte, verliere Papandreou das Referendum, dann scheitere auch die europäische Rettungspolitik der Billionen-Euro-Pakete. Griechenland wäre dann "über Nacht pleite und speziell die deutsche Regierung müsste ihren Wählern die dann eintretenden Milliardenverluste aus Garantieversprechen erklären". Daher werde die europäische Politik zittern.

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, ist hingegen überzeugt, dass Papandreou angesichts der harten Einschnitte die Legitimation des gesamten griechischen Volks braucht. "Es gibt somit die Chance, dass als Folge der nunmehr beginnenden Debatte eine Mehrheit der griechischen Regierung die notwendige Legitimation verleiht und damit zeigt, dass die harten Demonstrationen nicht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen", sagte Horn. Der IMK-Chef fügte aber hinzu: "Kommt diese Mehrheit allerdings nicht zustande, gehen sowohl in Griechenland als auch im Euro-Raum die Lichter aus."

Berlusconi verspricht Besserung

Derweil lassen die Pläne einer Volksabstimmung in Griechenland das Vertrauen der Finanzmärkte auch in das schuldengeplagte Italien weiter schwinden: Viele Anleger trauen Italiens Premier Silvio Berlusconi keine entscheidenden Reformen zu. Nach der Ankündigung, dass Griechenland in einer Volksabstimmung über das auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossene Rettungspaket entscheiden soll, sind am Dienstag die italienischen Staatsanleihen stark gefallen.

Berlusconi versprach nun Bundeskanzlerin Merkel erneut zügige Reformen. In einem Telefonat mit der Kanzlerin habe Berlusconi ihr am Dienstag versichert, seine Regierung sei fest zur Umsetzung der versprochenen Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur entschlossen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten in Rom mit.

Sonder-Krisentreffen in Cannes ohne EZB-Chef

Auf einem Krisengipfel einen Tag vor dem G-20-Gipfel wollen Deutschland und Frankreich an diesem Mittwoch die neuen Turbulenzen um Griechenland eindämmen. Bei dem Sondertreffen in Cannes wollen Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy auf eine rasche und vollständige Umsetzung der Beschlüsse des Euro-Gipfels für Athen pochen.

Neben diesem Konsultationstreffen werde es Gespräche von Merkel und Sarkozy mit Papandreou geben. Nach Angaben der Bundesregierung sollen "alle erforderlichen Maßnahmen zur umgehenden Umsetzung" der Beschlüsse des Euro-Gipfels von vergangener Woche getroffen werden.

Das Treffen in Cannes wird allerdings ohne den neuen EZB-Chef Mario Draghi stattfinden: Er wird nach offiziellen Angaben erst nach seiner Pressekonferenz am Donnerstag zum G-20-Gipfel nach Cannes reisen.

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