Umstrittene Rüstungsexporte:Da kann der Minister nichts machen

Sigmar Gabriel

Kann die "Entscheidungen der letzten Jahre leider nicht rückgängig machen": Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

(Foto: dpa)

SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel rechtfertigt sich für Rüstungsausfuhren in Staaten außerhalb von EU und Nato. Er sei an feste Zusagen der Vorgängerregierungen gebunden gewesen.

Von Nico Fried und Wolfgang Janisch, Berlin

Der Vizekanzler ringt um seinen Ruf: Sigmar Gabriel (SPD) hat sich als Wirtschaftsminister dem restriktiveren Umgang mit Rüstungsexporten verschrieben. Nun hielt ihm die Opposition aufgrund aktueller Zahlen Scheinheiligkeit vor: Er rede nur von weniger Exporten, handele aber nicht. Doch der Minister wehrt sich.

Der Sachverhalt: Gabriel hat in den ersten vier Monaten des Jahres 2014 den Export von Rüstungsgütern im Wert von 1,17 Milliarden Euro genehmigt. Obgleich der Gesamtwert der bewilligten Ausfuhren damit um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum sank, stieg ausgerechnet das Volumen der umstrittenen Exporte in sogenannte Drittstaaten außerhalb von EU und Nato um rund 130 Millionen auf 649 Millionen Euro. So erhielten zum Beispiel Saudi-Arabien und Algerien Güter im Wert von jeweils 30 Millionen Euro.

Das sind keine schönen Zahlen für einen Minister, der wiederholt und auch am Wochenende wieder angekündigt hatte, mit Waffenexporten "deutlich vorsichtiger" umzugehen. Zur Begründung sagte Gabriel, es werde noch für einige Zeit Exporte geben, die vor seiner Regierungszeit genehmigt worden seien. Er könne "leider die Entscheidungen der letzten Jahre nicht rückgängig machen".

Auch zu den konkreten Zahlen erklärte sein Ministerium in einer Antwort an den Linken-Abgeordneten Jan van Aken: Der "weitaus überwiegende Teil" der erteilten Genehmigungen für die Drittländer gehe auf Entscheidungen der jeweiligen Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren zurück. Soll heißen: Da kann der Minister nichts machen. Nur: Stimmt das?

"Die Nachfolgeregierung kann alles auf den Prüfstand stellen"

Vor dem Bundesverfassungsgericht hat Innenminister Thomas de Maizière erst vor wenigen Wochen versichert, die Bundesregierung sei an vorläufige Bescheide einer Vorgängerregierung nicht gebunden. "Die Nachfolgeregierung kann alles auf den Prüfstand stellen", sagte er am 15. April in der Verhandlung über die Klage dreier Grünen-Abgeordneter, die mehr Informationsrechte des Parlaments bei Rüstungsexporten durchsetzen wollen. Die Richter hatten intensiv nachgefragt, wie verbindlich denn Bescheide über eine - bei Rüstungsexporten übliche - Voranfrage seien.

"Für mich ist mit dem Bescheid über eine Voranfrage die Willensbildung der Regierung nicht abgeschlossen", sagte de Maizière. Ein solcher Bescheid sei keine "verwaltungsrechtliche Zusicherung", sondern solle den Rüstungsunternehmen und deren potenziellen Kunden ein "Gefühl" dafür vermitteln, wie der Staat entscheide.

Eine Sprecherin Gabriels bestätigte am Montag diese Auffassung. Sie stünde auch nicht im Widerspruch zu Gabriels Darstellung, dass er die Genehmigungen nicht verweigern könne. Denn sie basierten nicht auf positiv beschiedenen Voranfragen, sondern auf bereits erteilten Genehmigungen. Als Beispiel nannte sie die Bewilligung der Rüstungsexporte nach Singapur, Wert 191 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um gebrauchte Leopard-Panzer der Bundeswehr. Diese Ausfuhr erfolge "aufgrund eines bereits abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrages".

Was aber ist mit den übrigen Drittstaaten-Ausfuhren im Wert von 458 Millionen Euro, unter anderem nach Saudi-Arabien? Am Montagnachmittag legte Gabriels Ministerium weitere Details nach. Auch in anderen Fällen beruhe die Verbindlichkeit von Zusagen nicht auf den Voranfragen, sondern bestätige lediglich bereits endgültig erteilte Genehmigungen aus den vergangenen Jahren. Dies betreffe zum Beispiel eine im November 2013 erteilte Genehmigung zur Ausfuhr eines Patrouillenbootes nach Brunei und eine Genehmigung zur Ausfuhr von 100 Lenkflugkörpern nach Saudi-Arabien aus dem Jahre 2012.

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