Umstrittene Begnadigungen:Grüne Vollmer für Freilassung aller RAF-Häftlinge

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Die kapitalismuskritischen Äußerungen des früheren Terroristen Christian Klar heizen die Debatte um die Frage weiter an, wie mit ehemaligen RAF-Mitgliedern umgegangen werden soll. Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer hat sich nun für eine Begnadigung aller noch Inhaftierten ausgesprochen.

"Ich fände es richtig, wenn diese ganze Zeit mit einem politischen Schlusswort des Bundespräsidenten beendet würde", sagte die ehemalige Bundestags-Vizepräsidentin der Berliner Zeitung.

Antje Vollmer wünscht sich bei der RAF-Diskussion ein politisches Schlusswort durch den Bundespräsidenten (Foto: Foto: AP)

Gleichzeitig empfahl sie eine Selbstverpflichtung der Medien, auf Talkshows und Interviews mit den Freigelassenen zu verzichten. Auf diese Weise würden die Medien die von vielen befürchtete Star-Rolle der Ex-Terroristen nicht selbst produzieren. "Dieser gewinnträchtige Voyeurismus wäre so leicht zu vermeiden", sagte Vollmer.

Derzeit sitzen noch vier frühere RAF-Mitglieder im Gefängnis: Brigitte Mohnhaupt (57), die allerdings am 27. März nach mehr als 24 Jahren in Haft auf Bewährung entlassen wird; außerdem Christian Klar (54), Eva Sybille Haule (52) und Birgit Hogefeld (50). Klar hat ein Gnadengesuch gestellt, über das Bundespräsident Horst Köhler entscheiden muss.

"Zur Gnade gehört Reue"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla lehnte eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar hingegen vehement ab. "Zur Gnade gehört Reue. Ich kann bei Herrn Klar keine Reue erkennen", sagte er der Passauer Neuen Presse. Pofalla betonte allerdings zugleich, der Bundespräsident habe seine Entscheidung über die Begnadigung "völlig autonom" zu treffen.

Der CDU-Generalsekretär sieht auch 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst keine Veranlassung das Kapitel RAF abzuschließen. "Die Toten und die seelischen Wunden bei den Angehörigen bleiben." Deshalb werde es auch "keinen Schlussstrich" geben.

Die Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte den baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll (FDP) scharf, der aufgrund von Klars Äußerungen keine Hafterleichterungen für den früheren RAF-Terroristen zugelassen hatte.

"Herr Goll agiert rechtsstaatswidrig, wenn er sich frontal gegen die Meinungsfreiheit stellt", sagte Roth den Stuttgarter Nachrichten und der Kölnischen Rundschau. Der Minister mache sich zum "Stichwortgeber einer populistischen Kampagne gegen Gnadenerweise". Es bestehe bisher kein Grund zu der Annahme, dass von dem früheren RAF-Terroristen noch eine Gefahr ausgehe.

"Äußerungen Klars kein Aufruf zur Gewalt"

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) griff in in der Debatte über die Äußerungen Klars den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele scharf an. Es sei beschämend, "wenn gerade der als RAF-Unterstützer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Ströbele auch heute noch RAF-Ideologie bagatellisiert", sagte Beckstein zu Spiegel Online.

Ströbele hatte im RTL-Fernsehen erklärt, er sehe in den Äußerungen Klars "keine Aufforderung oder Äußerung zu Gewalt oder zu Terrorismus". Der RAF-Verteidiger Ströbele war in den 70er Jahren wegen angeblicher Beteiligung am illegalen Informationssystem der RAF zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Ströbele wehrte sich bei Netzeitung.de gegen den Vorwurf, er verhöhne die RAF-Opfer. "Das ist Unsinn, weil ich mich nicht zu den Angehörigen der RAF-Opfer und ihren Leiden geäußert habe", sagte er. "Ich habe nur Tatsachen festgestellt." Die Äußerungen Klars seien kein Aufruf zur Gewalt, sondern eine drastische Kapitalismuskritik, die in Deutschland im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sei.

Ströbele warf Beckstein, CSU-Generalsekretär Markus Söder und CSU-Chef Edmund Stoiber "üblen Populismus" vor, wenn sie forderten, Klar dürfe nie aus der Haft entlassen werden.

ARD weist Klars Vorwürfe zurück

Die Redaktion der ARD-Sendung "Report Mainz" hat unterdessen Kritik Klars zurückgewiesen, sie habe einen Beitrag über seine Kapitalismuskritik gezielt kurz vor der Entscheidung über Haftlockerungen ausgestrahlt. Der Vorwurf entbehre jeder Grundlage, heißt es aus der Redaktion.

Die Sendung werde alle drei Wochen ausgestrahlt. Von dem Grußwort hätten die Autoren des Beitrags wenige Tage davor erfahren. Das Zusammentreffen mit der Entscheidung über eine Hafterleichterungen sei Zufall. "Report Mainz" habe sich um eine sachliche Berichterstattung bemüht. Klars Gutachter, der Kriminologe Helmut Kury, sei ausführlich mit seiner Einschätzung zu Wort gekommen, dass man aus dem Grußwort nicht schließen könne, Klar neige zu den selben Handlungen wie damals.

Der frühere RAF-Terrorist Klar hatte in einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz Mitte Januar die Hoffnung geäußert, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen".

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