Umfrage zum Afghanistan-Einsatz:Mehrheit lehnt neue Strategie ab

Die Regierung will mehr Soldaten nach Afghanistan schicken, doch die Deutschen sehen die Pläne überwiegend skeptisch. Nur 18 Prozent glauben an einen Erfolg.

Die große Mehrheit der Deutschen sieht den Militäreinsatz in Afghanistan sehr skeptisch. 76 Prozent zweifeln am Erfolg der 2001 begonnenen Mission unter Nato-Kommando, und nur 18 Prozent glauben an einen Erfolg, wie das ZDF-Politbarometer vom Freitag zeigt.

Umfrage zum Afghanistan-Einsatz: Die große Mehrheit der Deutschen sieht den Militäreinsatz in Afghanistan skeptisch und lehnt eine weitere Truppenaufstockung ab.

Die große Mehrheit der Deutschen sieht den Militäreinsatz in Afghanistan skeptisch und lehnt eine weitere Truppenaufstockung ab.

(Foto: Foto: ddp)

Bei Gefechten im Norden Afghanistans wurde unterdessen ein deutscher Soldat schwer verletzt. Der Infanterist wurde in Masar-i-Scharif operiert und soll nach Deutschland gebracht werden. Lebensgefahr bestand nicht, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam berichtete. Der Mann wurde zusammen mit anderen Soldaten südwestlich von Kundus mit Handwaffen und Panzerfäusten beschossen.

Laut der ZDF-Umfrage stoßen die Pläne der Bundesregierung, das Bundeswehrkontingent um bis zu 850 Soldaten aufzustocken, auf deutliche Ablehnung.

Knapp zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) sind dagegen, dass die Zahl der Soldaten in Afghanistan erhöht wird, 29 Prozent finden die Truppenverstärkung richtig. Befragt wurden 1256 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte.

Unterdessen bestätigte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums einen Bericht von Spiegel online, wonach die USA bis zu 5000 eigene Soldaten im deutschen Einsatzgebiet im Norden Afghanistans stationieren wollen. Bislang war nur von 2500 Mann die Rede gewesen.

In einer Unterrichtung an den Bundestag vom 27. Januar heißt es: "Aufgrund des aktuellen Lagebildes ist davon auszugehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nunmehr insgesamt bis zu 5000 Soldatinnen und Soldaten in der Nordregion einsetzen werden." Rund 1500 Soldaten sollen laut Spiegel online in Kundus angesiedelt werden, wo die Bundeswehr ein Feldlager mit 1200 Soldaten hat.

Der Oberbefehlshaber der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (Isaf), Stanley McChrystal, hatte jüngst betont, die amerikanischen Truppen würden dem deutschen Regionalkommandeur, Brigadekommandeur Frank Leidenberger, unterstellt. "Sie sollen in erster Linie bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte helfen. Sie sollen die Deutschen nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und unterstützen. Wir wollen damit zeigen, wie wichtig der Norden ist."

Dagegen sagte der Verteidigungsexperte der SPD, Rainer Arnold, es gebe noch eine Reihe offener Fragen, etwa ob das Regionalkommando Nord auch in Zukunft weiter von den Deutschen geführt werde. "Die Dinge sind gerade ziemlich im Fluss", sagte Arnold mit Blick auf den bei der Afghanistan-Konferenz in London beschlossenen Strategiewechsel.

Schmelzer optimistisch

Der Vize-Chef des Bundeswehrverbands, Wolfgang Schmelzer, zeigte sich nach der Konferenz in London vorsichtig optimistisch. "Den Soldatinnen und Soldaten ist klar, dass das Schicksal Afghanistans nicht allein auf Konferenzen entschieden wird. Die Übereinkunft über einen Strategiewechsel in London ist eine entscheidende Weichenstellung. Doch nun erwarten wir zügig konkrete, sinnvolle und machbare Ausformungen der Beschlüsse."

Auf der Konferenz wurde ein Zeitplan für den Abzug vereinbart, ohne allerdings ein eindeutiges Enddatum festzulegen. Die internationale Gemeinschaft will bis 2014 die Verantwortung für die Sicherheit an die afghanische Regierung übergeben. Der Gastgeber, der britische Premierminister Gordon Brown, kündigte an, die Übergabe befriedeter Distrikte in afghanische Verantwortung werde noch dieses Jahr beginnen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai machte indes klar, dass er noch zehn bis 15 Jahre auf ausländische Truppenpräsenz hofft.

"Aufstocken für den Abzug?"

Grünen-Chefin Claudia Roth äußerte sich kritisch zu den Ergebnissen der Konferenz. Die Staatengemeinschaft bleibe eine Erklärung schuldig, wie mit einer deutlichen Aufrüstung und Truppenaufstockung die Wende hin zu defensivem und zivilem Vorgehen gelingen solle. Auch Außenminister Guido Westerwelle habe nicht klar machen können, warum es jetzt Sinn haben solle, 850 deutsche Soldaten mehr in den Norden Afghanistans zu schicken, und gleichzeitig bereits Ende des Jahres mit dem teilweisen Abzug der Truppen zu beginnen. "Aufstocken für den Abzug? Eine mehr als fragwürdige Strategie und mitnichten ein Neuanfang, wenn gleichzeitig gerade mal 77 Polizisten mehr nach Afghanistan geschickt werden sollen", meinte Roth.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz (CDU), wandte sich strikt gegen einen schnellen Abzug aus Afghanistan. "Wir würden mit einem sofortigen Abzug den gleichen Fehler begehen, wie er damals nach dem Rückzug der sowjetischen Armee begangen wurde. Das Land blieb sich selbst überlassen und wurde zur Heimstatt des Terrorismus", sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Russland hat die Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz dagegen als "neuen Schritt zur Bildung eines friedlichen und unabhängigen afghanischen Staates" begrüßt. "Die Konferenz ist eine wichtige Etappe in den internationalen Bemühungen, ein neutrales und wirtschaftlich standfestes Afghanistan aufzubauen, das frei ist von Terrorismus und Drogenkriminalität", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Moskau.

In Afghanistan selbst haben die Taliban nach eigenen Angaben noch nicht über eine Teilnahme an Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung entschieden. Die Taliban-Führer würden darüber aber bald befinden, sagte ein Sprecher der Extremistenorganisation. Der afghanische Präsident Hamid Karsai hatte die Taliban auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London zu Gesprächen eingeladen.

Zwischen Kommandeuren der radikal-islamischen Organisation und Vertretern der Vereinten Nationen hatte es UN-Kreisen zufolge Anfang Januar ein geheimes Treffen zur Vorbereitung von Friedensverhandlungen gegeben. Das Treffen in Dubai mit dem UN-Sondergesandten für Afghanistan, Kai Eide, sei auf Bitten der Taliban zustande gekommen.

Die Opposition im Jemen kritisierte das Ergebnis der Londoner Konferenz über Hilfen für das südarabische Land im Kampf gegen den Terror. Die bei dem Treffen zugesagten Hilfen würden nur dazu beitragen, die Macht der Regierung in Sanaa "abzusichern", heißt es in einer am Donnerstag verbreiteten gemeinsamen Erklärung der fünf größten Oppositionsparteien. Die Konferenzteilnehmer hätten dabei die schlimme Lage im Land außer Acht gelassen, die ein Ergebnis der Politik eben dieser Regierung sei. Indem man diese Regierung unterstütze, unterstütze man auch "Instabilität und Korruption" im Jemen.

Bei der Afghanistan-Konferenz hatten Delegationen aus mehr als 20 Ländern dem Jemen Hilfen im Kampf gegen den Terror zugesagt, ohne jedoch konkrete Zusagen für finanzielle Hilfen zu geben. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung in Sanaa zu mehr sozialen und wirtschaftlichen Reformen.

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