Umfrage:Die Koalition streitet, die Werte sinken

Die Kanzlerin beschwichtigt, bislang erfolglos: Die Regierungsparteien giften sich weiter kräftig an. Derweil sinken die Umfragewerte für Schwarz-Rot - und für Angela Merkel.

Das Urteil der Deutschen über die große Koalition verschlechterte sich in den vergangenen Wochen. Fast Dreiviertel der Bundesbürger (74 Prozent) sind mit der Arbeit der schwarz-roten Bundesregierung nicht zufrieden, heißt es in einer am Donnerstag vorgestellten Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag der ARD.

Angela Merkel

Hat allen Grund zur Sorge: Angela Merkel

(Foto: Foto: dpa)

Das seien sechs Punkte mehr als im Vormonat und so viele wie noch nie seit dem Start der CDU/CSU-SPD-Koalition. Dies schlage sich auch im Wahlverhalten und der Beurteilung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nieder.

Nur noch ein Viertel der Bundesbürger (25 Prozent) sind laut Umfrage mit der Arbeit von Schwarz-Rot einverstanden. Mit diesen Werten erreicht die große Koalition laut ARD-Deutschlandtrend das gleiche Niveau wie die rot-grüne Regierung am Ende ihrer Amtszeit.

Nur noch 33 Prozent stimmten der Aussage zu, dass "die große Koalition bis jetzt gute Arbeit geleistet hat" - 19 Punkte weniger als noch im Mai. Außerdem seien mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Meinung, dass die große Koalition "auch nicht mehr Probleme als die alte Regierung löst". Das sei eine Zunahme um zehn Punkte.

Künast im Aufwind

Der Vertrauensverlust für die Regierung spiegelt sich auch in der Sonntagsfrage wider. Danach käme die Union auf lediglich 35 Prozent (minus 2 Punkte), wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre. Laut ARD ist dies der niedrigste Umfragewert seit fünf Jahren. Die SPD erreicht 29 Prozent (minus 1 Punkt). Gemeinsam erreichten die Volksparteien damit 64 Prozent und unterschritten so erstmals im ARD-Deutschlandtrend die symbolische Zweidrittel-Grenze.

Die Opposition hingegen profitierte: Die FDP kann sich laut Umfrage um 2 Punkte auf 12 Prozent verbessern. Die Linkspartei legt um 1 Punkt zu und kommt nun auf 10 Prozent, die Grünen bleiben unverändert bei ebenfalls 10 Prozent.

Auch Kanzlerin Merkel verliert an Zustimmung. Zwar seien 45 Prozent der Meinung, sie sei für Deutschland besser als ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD/35 Prozent). Dennoch seien nur noch 57 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden - sechs Punkte weniger als im Vormonat und der niedrigste Wert seit ihrem Amtsantritt. Gewinnerin des Monats sei Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Mit ihrer Arbeit seien 45 Prozent der Bundesbürger zufrieden - 12 Punkte mehr als im Vormonat.

Infratest dimap befragte Anfang der Woche 1000 Wahlberechtigte. Für die Sonntagsfrage befragte das Institut von Montag bis Mittwoch 1500 Bundesbürger ab 18 Jahren.

Merkel: "Ich bin sehr optimistisch"

Derweil gifteten sich Politiker der Koalitionsparteien weiter an: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, sagte im ZDF, er wundere sich, was derzeit beim Koalitionspartner SPD "abgeht". Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag, Peter Struck, solle sich "am Riemen reißen".

Kritik kam auch aus Bayern: CSU-Generalsekretär Markus Söder kritisierte in der Welt den Stil von Teilen der SPD als "absolut nicht hinnehmbar". Es gelte: "Besser den Mund halten und sich auf die Arbeit konzentrieren."

Niedersachsens Ministerpräsident Christan Wulff (CDU) forderte die SPD angesichts ihrer Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Mäßigung auf. Die SPD solle zu einem "fairen, partnerschaftlichen Umgang" in der Koalition zurückkehren und "mithelfen, dass Deutschland vorankommt", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, bekräftigte seine Kritik an Merkel und warf ihr Führungsschwäche vor. "Wenn man nur herummoderiert und mal dem einen und mal dem anderen nachgibt, kommt nichts Gescheites dabei heraus", sagte er der in Hannover erscheinenden Neuen Presse. Kahrs wiederholte auch seine auf Merkel gemünzte Formulierung: "Der Fisch stinkt vom Kopf her."

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) attackierte die Unions-Ministerpräsidenten. In den vergangenen Wochen sei leider der Eindruck entstanden, "dass sich mancher Landesfürst der Union als Opposition in der Regierung begreift", sagte er der Welt.

Der Sprecher des Netzwerks jüngerer SPD-Abgeordneter, Christian Lange, kritisierte ebenfalls die Länderregierungschefs der Union: "Die Ministerpräsidenten müssen sich die Frage gefallen lassen, wollen sie den großen Erfolg der großen Koalition in Berlin oder den kleinen Erfolg im eigenen Land", sagte er der Financial Times Deutschland.

Ungeachtet der schärfer werdenden Tonlage zwischen Union und SPD hält Merkel an der großen Koalition fest und versucht, die Wogen zu glätten: "Ich bin sehr optimistisch, dass diese Koalition erfolgreich weiterarbeitet", sagte die Regierungschefin der Bild-Zeitung. "Ich habe den festen Eindruck, dass sich die gesamte Koalition den Aufgaben, die sie sich gesetzt hat, verpflichtet fühlt", sagte Merkel. Kompromisse seien Teil der Politik.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: