Ukraines Ex-Präsident Janukowitsch:Akten der Arroganz

Anti-government protests in Ukraine.

Journalisten und Aktivisten ordnen und fotografieren Dokumente, die Viktor Janukowitsch in seinem Teich versenken ließ, um sie zu vernichten.

(Foto: dpa)

Erpressung, Prunk und Korruption: Ukrainische Journalisten stellen Dokumente aus der Residenz von Ex-Präsident Janukowitsch ins Netz. Einblick in das Treiben einer gierigen Elite.

Von Matthias Kolb

Hektisch muss es zugegangen sein, als Viktor Janukowitsch und seine Begleiter in der Nacht vom Freitag auf Samstag die prachtvolle Residenz in Meschigorje verließen. Tausende Dokumente kippten Helfer in den künstlichen Teich des Anwesens - offenbar wollten sie Beweise vernichten. Manche Papiere sind an den Ecken angekokelt, weil sie angezündet wurden; zugleich wurden viele Dokumente jedoch nicht aus den Plastikfolien entfernt, weshalb diese auf der Oberfläche schwammen und so von Tauchern aus dem eisigen Wasser geborgen werden konnten.

Während die ukrainischen Bürger staunend durch die Protz-Villa des mittlerweile abgesetzten Staatschefs spazierten (mehr in diesem SZ.de-Storify), machte sich eine Gruppe ukrainischer Journalisten in einem Bootshangar daran, die Papiere zu sichern und zu sichten. 752 Dokumente sind nun im Internet auf "Yanukovych Leaks" zu sehen - ein Klick und ein Foto in hoher Auflösung öffnet sich. Mehr als 1,5 Millionen Mal wurde die Website seit diesem Dienstag angesehen.

Die 21 Journalisten stehen vor einer großen Herausforderung: Sie müssen eine große Menge an Material sichten (offenbar geht es um knapp 200 Aktenordner), dieses in eine chronologische Ordnung bringen und in den richtigen Kontext setzen. Archivare helfen den Medienvertretern, die beschädigten oder teilweise zerstörten Dokumente so gut wie möglich zu rekonstruieren.

"Diese Dokumente sind der bisher größte Beweis für die Korruption von Janukowitsch und seinem Regime", sagte Natalia Sedletska von Radio Free Europe dem Guardian. Die entdeckten Rechnungen, Verträge, Versicherungspolicen und Schecks passen ihrer Ansicht nach zu vielen kritischen Artikeln und Beiträgen, die sie und ihre Kollegen seit Jahren in Medien wie der Kyiv Post, Ukrainiska Pravda und Kommersant veröffentlicht haben.

Bisherige Berichte in ukrainischen und internationalen Medien stützen sich auf vorläufige Recherche-Ergebnisse und müssen deswegen noch vorsichtig interpretiert werden. Eine Übersicht über das bisher Bekannte:

  • Pläne zur Niederschlagung der Maidan-Proteste: Einem Bericht der Financial Times zufolge hatten Janukowitsch und seine Berater überlegt, die Proteste im Zentrum von Kiew mit 2500 zusätzlichen Soldaten in einer "anti-terroristischen" Operation zu beenden. Janukowitschs Stabschef hatte demnach außerdem eine Anweisung unterschrieben, drei Armee-Einheiten aus der Südostukraine nach Kiew zu schicken, um Militäreinrichtungen zu schützen. Beides wurde nicht umgesetzt, doch sie illustrieren, dass einige Regime-Vertreter bis zuletzt auf Gewalt setzten - und dass eine Eskalation stets möglich war.
  • Weitere Belege für Verschwendung und Korruption: Die Bilder aus Janukowitschs Protz-Villa, die seit dem Wochenende weltweit bestaunt werden, zeigen deutlich, wie sich der abgesetzte Staatschef bereichert hat. Nun gibt es immer mehr Beweise, wie die Macht-Elite das Geld verplemperte. So wurden 2,3 Millionen Euro für die Einrichtung eines Esszimmers bezahlt, 17 000 Dollar investierte man für Tischdecken und 800 Dollar kostete die "medizinische Behandlung" von Fischen. Fotos, die via Twitter verbreitet werden, zeigen Rechnungen über 30 Millionen Euro für diverse Lampen.
  • Indizien für Geldwäsche: In einem Bericht für das US-Internet-Portal Mashable schreibt Christopher Miller von der Kyiv Post, dass in den Dokumenten vieles auf Geldwäsche hindeute. So sei das Anwesen in Meschigorje, das sich zuvor in Staatsbesitz befand, über Tarnfirmen privatisiert worden. Offiziell gehört die Residenz einer Firma namens Tantalit, die von einem 35-jährigen Mann namens Pavlo Litchenko geleitet wird. Offenbar legen zahlreiche überteuerte Rechnungen den Verdacht der Geldwäsche nahe. So zahlte Tantalit für eine Presseschau über Janukowitsch mehr als vier Millionen Euro an ein PR-Unternehmen - üblicherweise kostet ein solcher Service laut Kyiv Post 20 000 Dollar pro Monat.

Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis alle Dokumente ausgewertet werden. Die ukrainischen Journalisten, die sich nun durch das Material fühlen, hoffen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Recherchen dazu nutzt, um selbst Ermittlungen aufzunehmen und jene zu bestrafen, die Verbrechen begangen und sich auf Kosten des ukrainischen Volks bereichert haben. Wenn das in naher Zukunft in dem von Korruption geplagten ukrainischen Justizsystem gelingen sollte, wäre es ein wichtiger Schritt für die Ukraine - und ein Zeichen, dass es vorangeht.

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