Ukrainischer Präsident:Zu viel Schokolade bei zu viel Macht

Roshen factory in Kiev

Krieg und Konfekt: Präsident Poroschenko hat Ärger wegen seines Schokoladenkonzerns Roshen.

(Foto: Tatyana Zenkovich/dpa)
  • Nach einem erneuten Vorfall in Russland gerät der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wegen seines Süßwarenkonzern Roshen in die Kritik.
  • Russische Behörden hatten ein Keks- und Süßigkeitenfabrik Poroschenkos im russischen Lipezk durchsuchen lassen, ein Gericht beschlagnahmte und sperrte jüngst Vermögenswerte der Niederlassung.
  • Poroschenko hatte wiederholt versprochen, die russischen Anteile seiner Firma zu verkaufen.
  • Kritiker in Kiew werfen dem Präsidenten vor, dass er sich mit seinem Werk im russischen Lipezk politisch angreifbar mache. Der wiederum rechtfertigt die nie erfolgte Abstoßung der Anteile mit dem Krieg und der schlechten Wirtschaftslage.

Von Frank Nienhuysen

Zwei Telefonate gleichzeitig schafft Petro Poroschenko spielend. Ein Handy in der linken, das andere in der rechten - und einfach reden. Nur in welcher Funktion? Die ukrainische Zeitung Kyiv Post machte sich neulich in einem Cartoon lustig über den fiktiven Zwiespalt und zeichnete dem Staatschef zwei Gedankenblasen an den Kopf: "Bin ich Präsident . . . oder ein Schokoladentycoon? Ich kann mich nicht entscheiden."

Poroschenko hatte im vergangenen Jahr den Ukrainern versprochen, dass er seine wichtigsten Anteile an seinem Süßwarenkonzern Roshen verkaufen wolle. Noch immer hat er dies nicht getan, und eine frische Nachricht aus Russland hat daran jetzt noch einmal erinnert. Ein russisches Gericht hat Aktiva der Konzern-Niederlassung in der russischen Stadt Lipezk beschlagnahmt und bis Mitte September gesperrt. Sie haben einen Wert von knapp 40 Millionen Dollar. Bereits Anfang April hatten maskierte russische Ermittler das Lipezker Werk durchsucht, weil die russischen Behörden dem ukrainischen Unternehmen Steuerbetrug vorwerfen.

Roshen wiederum hält die Gerichtsentscheidung für ungerechtfertigt und will sie anfechten. Auf seiner Internetseite erklärt der Konzern, die russische Seite wende alle möglichen Methoden an, um das Unternehmen daran zu hindern, seine russischen Anteile zu verkaufen. Das Lipezker Werk ist eine große Niederlassung von Roshen, hat etwa 2000 Mitarbeiter, produziert Kekse und Süßigkeiten, und verkauft sie in diverse Länder des postsowjetischen Raums. Poroschenko hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion mehrere Süßwarenfabriken übernommen, dem neuen Konzern die beiden mittleren Silben seines Nachnamens gegeben und ihn vor allem in Osteuropa bekannt gemacht.

Poroschenko, das war dann griffig der Schokoladenkönig, aber weil sich der Ruf reicher Unternehmer in der Ukraine zusehends verschlechterte, schien es Poroschenko im Wahlkampf ratsam gewesen zu sein, seine Anteile zu verkaufen. Zumindest, dies anzukündigen. Dass dies bis heute nicht umgesetzt ist, habe mit dem Krieg und der schlechten Wirtschaftslage im Land zu tun, erklärten Berater seines Unternehmens ukrainischen Medien.

Bei den Russen waren die Pralinen von Poroschenko stets beliebt

In Russland hat Roshen schon seit längerer Zeit große Probleme. Bei den Russen waren die Pralinen und Schokoladentafeln stets beliebt, bei den Behörden irgendwann nicht mehr. Weil die Naschereien angeblich gesundheitsgefährdende Stoffe enthielten, wurde die Einfuhr nach Russland verboten. Es war der Beginn eines schweren Konflikts.

Umstritten aber ist Poroschenkos fortgesetztes Unternehmertum inzwischen auch in der Ukraine selber. Kritiker in Kiew werfen dem Präsidenten vor, dass er sich mit seinem Werk im russischen Lipezk politisch angreifbar mache, unnötig schwäche und von Moskauer Interessen abhängig mache. "Ich halte es nicht für zulässig, dass der Präsident oder andere hohe Vertreter des Staates Geschäfte in Russland machen", sagt Vasyl Jurchyschin, Direktor für Wirtschaftsprogramme am Kiewer Rasumkow-Zentrum, der Süddeutschen Zeitung.

"Die Ukrainer geben eine Menge Spenden, um Soldaten oder Freiwilligen zu helfen. Da sollte Poroschenko demonstrativ seine Anteile in Russland abstoßen. Das wäre schon allein für das Image der ukrainischen Führung besser. Und die meisten Menschen in meiner Umgebung finden das auch." Viele würden sich sorgen, dass derlei Geschäftsinteressen auch politische Entscheidungen beeinflussen, ja sogar militärische. "Anteile in einem solch großen Unternehmen zu verkaufen, dauert zwar seine Zeit, aber ich frage mich, warum es sich so lange hinzieht", sagt Jurchyschin.

Der Abgeordnete Nestor Schufrytsch warf Poroschenko vor, er zahle mit Roshen Steuergeld in Moskaus Staatshaushalt, mit dem 82 000 russische Soldaten finanziert werden könnten. Der Präsident selber verteidigte sich bei einem Fernsehinterview und sagte, er sei keinem Druck ausgesetzt - er handele stets in ukrainischem Interesse.

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