Ukraine:Süßes und Saures

Weder Generalstaatsanwalt noch Antikorruptionsbüro wollen die Offshore-Aktivitäten von Präsident Petro Poroschenko untersuchen. Nur das Parlament könnte das veranlassen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In der Ukraine haben die Veröffentlichungen über die Offshore-Aktivitäten von Präsident Petro Poroschenko für viel Widerhall, aber bislang nicht für Rufe nach politischen Konsequenzen gesorgt. Der Präsident befindet sich derzeit auf einer Japan-Reise. Noch bevor er sich persönlich zu den Enthüllungen äußern konnte, die am Sonntagabend auch in der Ukraine nach ihrer Veröffentlichung wie ein Donnerschlag aufgenommen wurden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft bereits mit, man werde keine Untersuchungen in dieser Sache einleiten. Der amtierende Generalstaatsanwalt Wladyslaw Kutsenko sagte, man sehe im Verhalten Poroschenkos keine "strafbare Handlung". Auch das Nationale Antikorruptionsbüro ließ wissen, man werde aus Mangel an Kompetenzen keine Untersuchung einleiten; das Büro habe keine Jurisdiktion über den amtierenden Präsidenten. Nach ukrainischem Recht kann nur das Parlament eine Untersuchung starten. Mehrere Abgeordnete forderten das.

Am Montagabend meldete sich dann der Präsident persönlich via Facebook zu Wort - mit einer Ehrenerklärung in eigener Sache. Seit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2014 habe er sich nicht mehr persönlich um seine Geschäfte gekümmert, sondern das Berater- und Anwaltsfirmen überlassen. "Ich glaube, ich bin möglicherweise der erste Spitzenpolitiker in der Ukraine, der mit der Anmeldung seiner Vermögenswerte, der Zahlung seiner Steuern und mit Interessenskonflikten ernsthaft umgeht, in vollem Einklang mit dem ukrainischen und dem internationalen Privatrecht", schrieb Poroschenko.

Roshen factory in Kiev

Petro Poroschenko hatte bei seinem Amtsantritt zugesagt, seine Firmen verkaufen zu wollen. Doch offenbar ist er immer noch Eigentümer des Schokoladen-Konzerns Roshen.

(Foto: Tatyana Zenkovich/dpa)

Allerdings kommt die Briefkastenfirma in seiner jüngsten Steuererklärung nicht vor. Im Rahmen der Recherchen zu den Panama-Leaks des internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ) war bekannt geworden, dass Poroschenko, neben seinem Amt als Präsident auch nach wie vor Eigentümer des Schokoladen-Konzerns Roshen, zahlreicher anderer Unternehmen und eines Fernsehsenders ist, diese Firmen nicht etwa verkauft hat, wie er bei Amtsantritt zugesagt hatte. Stattdessen hatte der Ukrainer, der im eigenen Land als Kämpfer für Transparenz und gegen Korruption auftritt, im Sommer 2014 mithilfe des panamaischen Anbieters Mossack Fonseca eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln eröffnet. Die Briefkastenfirma, so steht es in den geleakten Dokumenten, war gedacht als "Holding für zyprische und ukrainische Firmen der Roshen-Gruppe, einer der größten europäischen Hersteller von Süßigkeiten". Die Pressestelle des Präsidenten hatte auf Nachfrage erklärt, dessen Briefkastenfirma, Prime Asset Partners Limited, sei "Teil des Prozesses", Poroschenkos Vermögen in einen Trust zu überführen. Der Präsident habe längst "alle Informationen bezüglich seines Vermögens, seiner Ausgaben und seines Einkommens" offengelegt. Allerdings liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um den Versuch der Steuerhinterziehung handeln könnte.

Ein Team des unabhängigen ukrainischen Fernsehsenders Hromadske TV hatte für das Projekt "Organisierte Kriminalität und Korruption" (OCCRP), an dem auch die Kyiv Post beteiligt ist, unter dem Dach der internationalen Kooperation ICIJ aufwendige Untersuchungen angestellt, die am Sonntagabend unter dem Titel "Präsident Poroschenkos geheimes Leben" auf Sendung gingen. Darin werden, noch ausführlicher als etwa in der Süddeutschen Zeitung die Brief- und Mailwechsel von Poroschenkos Sachwaltern und unterschiedlichen Vertretern der Offshore-Firma Mossack Fonseca samt Dokumenten vorgelegt. Bei Nachfragen, so Hromadske, habe die Präsidialverwaltung die Reporter an jene Firma verwiesen, die sich im Auftrag des Oligarchen um die Einrichtung der Briefkastenfirma kümmern sollte. Von ihr habe man die Auskunft erhalten, es handele sich um einen "blind trust", eine Art Holding, mit welcher der Verkauf des Roshen-Konzerns erleichtert werden sollte. Die Reporter weisen aber nach, dass es sich nicht um einen "blind trust" handelt.

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Die Reaktionen auf die Recherchen sowohl von Hromadske TV als auch von Kyiv Post waren dennoch überwiegend kritisch. Die englisch-sprachige Zeitung war in einer besonders delikaten Lage gewesen, da ihr Eigentümer, Mohammad Sahur, wie 20 andere Ukrainer, ebenfalls in den Panama-Papieren auftaucht. Dmytro Gnap von Hromadske berichtet, die Kritiker der Veröffentlichung hätten sich zum einen daran gestoßen, dass der Sender in seinem Beitrag einen zeitlichen Bezug zwischen dem Datum der Anfrage für die Offshore-Firma von Poroschenko und der zeitgleich stattfindenden Schlacht von Ilowajsk hergestellt habe: Das sei unpatriotisch, weil damit die Armee und ihre schwere Niederlage instrumentalisiert worden seien, habe es geheißen. Außerdem meinten viele Kritiker, Offshore-Aktivitäten und Korruption von ukrainischen Oligarchen seien nicht überraschend, das sei eben Teil ökonomischen Handelns. Außerdem habe Poroschenko nicht offen illegal gehandelt, deshalb könne man ihm nichts vorwerfen.

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