Ukraine:Schleichende Teilung

Ukraine: Nationalisten fordern in Kiew Härte gegen russische Banken.

Nationalisten fordern in Kiew Härte gegen russische Banken.

(Foto: Sergei Supinsky/AFP)

Der Graben, der die von Separatisten besetzten Gebiete vom ukrainischen Mutterland trennt, wird immer tiefer. Eine Reintegration ist unwahrscheinlicher denn je.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Graben, der die von prorussischen Separatisten besetzten "Volksrepubliken" vom ukrainischen Mutterland trennt, wird immer tiefer. In den vergangenen Wochen habe alle drei Konfliktparteien - Kiew auf der einen Seite, die Separatisten und Moskau auf der anderen - eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die eine Reintegration, wie sie von Kiew nach wie vor gefordert wird, immer unwahrscheinlicher werden lassen.

So hat die Ukraine am Mittwoch den Handel mit den "Republiken" ausgesetzt, bis diese mindestens 43 Betriebe an ihre ukrainischen Besitzer zurückgeben. Diese Betriebe liegen zwar auf Separatistengebiet, waren aber bis zuletzt noch in der Ukraine registriert, beglichen dort ihre Steuern und zahlten Löhne in ukrainischer Währung aus. Die beschlagnahmten Unternehmen waren vor einigen Wochen entweder zu "Volksvermögen" erklärt oder an einheimische oder russische Oligarchen übertragen worden.

"Ukrainische Inseln" in den besetzten Gebieten hatte Präsident Petro Poroschenko diese Firmen in einem Fernseh-Interview genannt, doch diese Inseln seien nun in russischer Hand. Er forderte ihre Rückgabe, schließlich seien diese Unternehmen als "Vorposten" für eine Wiedereingliederung des Donbass in die Ukraine gedacht, wenn dieser endlich "deokkupiert" werde.

Aber der Trend geht in die andere Richtung. Zumal die Separatisten gemeinsam mit Russland gleich noch weitere Fakten schufen, welche die Trennung zementieren: Die neuen Pässe der "Volksrepubliken" werden mittlerweile von Moskau anerkannt. Außerdem erklärte der Führer der "Volksrepublik Donezk", Alexander Sachartschenko, die Frontlinie - in ukrainischer Diktion "Kontaktlinie" - vor wenigen Tagen eigenmächtig zur westlichen "Staatsgrenze". Und der Führer der Luhansker "Volksrepublik", Igor Plotnitzkij, gab bekannt, er werde "definitiv" ein Referendum über den Beitritt zu Russland abhalten lassen.

Die Anerkennung der in den Separatistengebieten ausgegebenen Ausweispapiere durch Moskau an jene Bewohner, die laut Völkerrecht nach wie vor Bürger der Ukraine sind, hat wiederum eine scharfe Reaktion in Kiew hervorgerufen: Die ukrainische Regierung erließ am Freitag Sanktionen gegen russische Banken, die auf ukrainischem Gebiet tätig sind. Den Töchtern teilstaatlicher russischer Banken ist es von nun an verboten, Gewinne an ihre Mutterhäuser abzuführen. Auch dürfen ukrainische Staatsfirmen kein Geld mehr bei diesen Banken anlegen.

Die vollständige Suspendierung des Handels mit Donezk und Luhansk durch Kiew ist - nach offizieller Lesart - die Reaktion auf eine seit Januar andauernde Blockade von Zuglinien, über die Kohle und Stahl aus den "Volksrepubliken" über die Frontlinie transportiert worden war. Nationalisten hatten die Gleise besetzt, weil sie jedweden Profit aus dem Handel mit den Führungen im Osten als "Blutgeld" und dort geförderte Kohle als "Blutkohle" bezeichnet hatten. Mit dem Geld, das dafür in die Republiken zurückfließe, so das Argument, werde letztlich der Krieg gegen die eigenen Leute finanziert.

Zuletzt hatten die ukrainischen Behörden zwar einige Blockaden gewaltsam aufgelöst und den Nationalisten eine Mitschuld an der jüngsten Eskalation gegeben - aber nun haben sie ihrerseits die Handelsbeziehungen mit den besetzten Gebieten untersagt. Diese würden erst wieder aufgenommen, wenn die Separatisten den in Minsk vereinbarten Waffenstillstand einhielten und die beschlagnahmten Betriebe zurückgäben.

Nach Berichten der Nachrichtenagentur Bloomberg nannte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, das Vorgehen Kiews am Freitag in Moskau "eine Situation, die so noch nicht da gewesen" sei. Die Ukraine "vertreibe ihre eigenen Regionen" und "unterminiere ihre territoriale Integrität", so Putins Sprecher. Laut Bloomberg gab Peskow an, der Kreml habe kein "schriftliches Szenario", um die Separatistengebiete in russisches Staatsgebiet aufzunehmen, aber man werde sie weiter unterstützen. Indes berichtet die Kyiv Post, Moskau plane den Handel mit den Separatisten über Südossetien abzuwickeln, das Donezk und Luhansk als eigenständige Staaten anerkannt hat. Damit könne der illegale Status der Handelspartner elegant umgangen werden.

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