Ukraine:Rebellen ziehen Waffen ab

Nach dem Gipfel in Paris entspannt sich die Lage in der Ukraine. Waffen sollen abgezogen, die Lokalwahlen der Separatisten verschoben werden. Doch die Rebellen in Donezk wollen sich nicht an die Abmachungen halten.

Von Florian Hassel, Kiew

Im Osten der Ukraine schweigen die Waffen, ziehen die ukrainische Armee und die vom russischen Militär gestützten Rebellen nach dem Krisengipfel von Paris ihren Angaben zufolge schwere Waffen aus der Kriegszone ab und nähren Hoffnungen auf eine zumindest vorübergehende Entschärfung des Konfliktes. Gleichzeitig geben Stellungnahmen von Rebellen und Sichtungen schwerer Waffen durch die OSZE Anlass zur Befürchtung, der Konflikt in der Ostukraine werde zwar vorübergehend entschärft, aber nicht beendet.

Die Präsidenten der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Bundeskanzlerin Angela Merkel einigten sich in Paris am Freitag auf einige Schritte, die dem Mitte Februar geschlossenen, doch nicht umgesetzten Abkommen "Minsk II" neues Leben einhauchen sollen. Petro Poroschenko, Wladimir Putin, François Hollande und Merkel einigten sich, beide Kriegsparteien müssten binnen 41 Tagen sowohl schwere Waffen wie leichtere Geschütze mit einem Kaliber von weniger als 100 Millimeter von der Frontlinie abziehen.

Die Lokalwahlen der Separatisten sollen verschoben werden - das stößt in Donezk auf Widerstand

Hollande und Merkel zufolge sollen die Separatisten zudem eigene Lokalwahlen verschieben, die sie für den 18. Oktober (in Donezk) und den 1. November (in Lugansk) angesetzt haben. Erst müsse in Kiew ein entsprechendes ukrainisches Gesetz verabschiedet werden, danach innerhalb von 90 Tagen die Wahlen im Donbass organisiert werden. Die praktische Folge: Das Stichdatum 31. Dezember 2015 zur Umsetzung aller Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen wird verschoben, was Hollande bestätigte. Die Verschiebung bedeutet neuen Zeitgewinn für Russland: Dem Abkommen von Minsk zufolge sollen die Ukrainer die komplette Kontrolle über die Grenze zu Russland, über die Waffen, Soldaten und Nachschub für die von Moskau gesteuerte Rebellion in der Ostukraine strömen, erst nach Lokalwahlen nach ukrainischem Gesetz wiedererlangen. Und erst dann muss Moskau Truppen und Waffen abziehen. Belastet wird die Lage durch den Moskauer Wunsch, dass sämtliche Separatistenpolitiker von Kiew amnestiert werden und sich im Donbass auch Rebellenvertreter zur Wahl stellen dürfen sollen, die erst seit kurzer Zeit in der Ukraine leben. Die zentrale Frage bleibt unbeantwortet: Wie überhaupt eine legitime Wahl unter einem Rebellenregime stattfinden soll, vor dem über 1,5 Millionen Menschen in andere Regionen der Ukraine geflohen sind. Auch das Problem, wie die Ukraine ihre Grenzen kontrollieren soll, wenn die daran angrenzenden Gebiete von moskautreuen Separatisten kontrolliert werden, wurde in Paris wieder ausgespart.

Nach dem Pariser Gipfel erklärten Separatisten in Lugansk, einer der beiden Rebellenregionen, sie würden nun "mit dem Abzug von Waffen beginnen. Panzer werden zuerst abgezogen". Im Kramatorsk, Hauptquartier der ukrainischen Armee für den Konflikt im Donbass, erklärte ein Sprecher am Sonntag, die Rebellen hielten seit nunmehr drei Tagen die Waffenruhe ein. Doch in Donezk bekräftigen die Separatisten, sowohl an ihren Lokalwahlen am 18. Oktober festhalten wie Waffen erst danach abziehen zu wollen, sagte Eduard Basurin vom Verteidigungsministerium der "Volksrepublik Donezk". In Moskau erklärte der Kremlsprecher, Präsident Putin wolle seinen Einfluss bei den Separatisten zur weiteren Entschärfung des Konfliktes nutzen. Tatsächlich werden sämtliche "Ministerien" der Separatisten seit dem Sommer 2014 von Moskau kontrolliert, das hatte ein ehemaliger Rebellenführer der SZ bereits Anfang 2015 gesagt.

Die Separatisten werden bisher umfänglich mit schweren Waffen aus Russland versorgt. Am 2. Oktober gaben die OSZE-Beobachter bekannt, sie hätten wenige Tage vor dem Treffen von Paris "mindestens 36 Panzer unbekannter Herkunft" und einen modernen russischen TOS-1-Buratino-Raketenwerfer auf einem Übungsplatz unter Rebellenkontrolle südwestlich von Lugansk gesehen. Außerdem registrierten Flugdrohnen der OSZE Ende vergangener Woche auf von Separatisten aus Donezk kontrollierten Gebieten östlich und nordöstlich von Mariupol Dutzende schwerer Kampf- und Schützenpanzer und andere Waffen, die längst hätten abgezogen sein müssen. Die Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands werden Anfang November wieder über Fort- oder Rückschritt bei der Umsetzung von Minsk II beraten.

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