Ukraine:Private Geschäfte, private Armeen

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Im Osten des Landes helfen von Oligarchen finanzierte Milizen der Regierungsarmee, die prorussischen Separatisten in Schach zu halten. Doch die Fürsten mit ihren Privatarmeen werden zur Bedrohung.

Von Cathrin Kahlweit

Ihor Kolomojskij ist nach Angaben der Zeitschrift Forbes der drittreichste Mann der Ukraine, 1,3 Milliarden Dollar soll er besitzen. Das ist eine unvorstellbar große Summe, zumal in einem Land, in dem eine durchschnittliche Rente gerade ausreichen würde, um in Deutschland zweimal gut essen zu gehen. Allein: Vor wenigen Jahren, unter dem alten Regime, besaß der Oligarch, wenn die Schätzungen stimmen, das Dreifache. Das Sterben der ukrainischen Wirtschaft durch Krieg und Krise setzt auch Milliardären zu.

Vielleicht hat der Unternehmer, der ganze Branchen im Land kontrolliert, deshalb so aggressiv auf eine Teilentmachtung reagiert. Das Parlament hatte per Gesetz die Durchgriffsmöglichkeiten des Staates in Unternehmen gestärkt, in denen sich bisher Anteilseigner wie Kolomojskij als Hausherren aufgespielt, ihre eigenen Leute in Schlüsselpositionen untergebracht und hohe Profite abgesaugt haben. Präsident Petro Poroschenko begründet den Durchgriff damit, dass man endlich realisieren wolle, was lange versprochen war: Die Strompreise sollen steigen, der staatliche Energiekonzern startet öffentliche Ausschreibungen für Jobs und lässt sich von einer Unternehmensberatung durchleuchten. Alles gute Ansätze. Vor allem soll aber die Korruption im Energiesektor bekämpft werden, wo der aktuelle Machtkampf spielt.

Es ist in der Ukraine nie auszuschließen, dass es hinter den Kulissen in Wirklichkeit um einen Konflikt zwischen Oligarchen geht - und nicht um einen Kampf gegen Oligarchen. Wenn aber die Ansage Poroschenkos stimmt, dann trifft es keinen Falschen. Kolomojskij hatte sein Vermögen nach der Unabhängigkeit als "Raider" erworben: mit Schlägertrupps, Erpressungen, Bestechung. Gegen eine anderen mächtigen Oligarchen, Viktor Pintschuk, streitet er wegen Betrugs vor einem Londoner Gericht, er soll 1,5 Milliarden Dollar unterschlagen haben.

Der Oligarch Kolomojskij half Kiew, jetzt wird er zur Bedrohung

Und diesen Mann hat der amtierende Präsident 2014 zum Gouverneur einer der wichtigsten Industrieregionen des Landes gemacht? Stabilität und Sicherheit, so heißt es heute in Kiew, seien damals die Gründe gewesen, eine Reihe von Oligarchen quasi zu Paten der neuen Macht zu machen - obgleich es doch vor allem das oligarchische System gewesen war, gegen das die Maidan-Demonstranten auf die Straße gegangen waren. Tatsächlich mag es gute Gründe gegeben haben, Großunternehmer, die sich unter früheren Regierungen bereichert haben, ins Boot zu holen; der Donezker Oligarch Rinat Achmetow etwa drohte anfangs, sich auf die Seite der Separatisten zu schlagen.

Ihor Kolomosjkij aber hat seine Rolle als Partner der Macht und Finanzier von paramilitärischen Einheiten im Kampf gegen die prorussischen Kräfte ein Jahr lang so gut gespielt, dass jetzt, wo man ihm den Fehdehandschuh hingeworfen hat, leichte Panik in Kiew ausbricht: Wird er sich gegen die neue Regierung wenden und die separatistischen Strömungen im Osten stärken? Während alle Bürger des Landes zusammen der Armee seit Beginn des Krieges insgesamt 6,7 Millionen Euro gespendet haben, da hat Kolomojskij mit der Subventionierung von Milizen und Teilen der Freiwilligen-Armee sich quasi selbst in den Apparat eingekauft.

Es könnte sich bewahrheiten, wovor Kritiker des Regierungskurses seit Langem warnten: Wer zulässt, dass im Kampf gegen prorussische Truppen Privatunternehmer private Bataillone finanzieren, der schafft sich damit im Zweifel eine bewaffnete Opposition im eigenen Land.

In Kiew hat der Präsident umgehend einen Nachfolger für Kolomojskij als Gouverneur von Dnjepropetrowsk ernannt: Es ist ein Freund und Geschäftspartner des Chefs der Präsidialverwaltung. Von dem Neuen droht also sicherlich keine Gefahr.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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