Ukraine:Poroschenkos Kampfansage

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Die ukrainische PrivatBank gilt als systemrelevant, sie hält etwa 35 Prozent der gesamten privaten Einlagen des Landes. (Foto: Sergei Supinsky/AFP)

Die Regierung verstaatlicht die größte Privatbank des Landes. Ökonomen halten den Schritt für sinnvoll, doch er könnte ein politisches Beben auslösen - denn das Geldhaus gehört einem Intimfeind des Präsidenten.

Von Cathrin Kahlweit, Kiew

- Die Entscheidung fiel kurz vor Mitternacht, und trotz der späten Stunde sandte sie Schockwellen durch das Land. Die ukrainische Regierung beschloss in der Nacht auf Montag, die größte private Bank des Landes, die PrivatBank, mit sofortiger Wirkung komplett zu verstaatlichen. Um Panik unter den etwa 20 Millionen Bankkunden und an der Börse zu vermeiden, wurde bereits nach wenigen Stunden ein ehemaliger Finanzminister als neuer Bankchef eingesetzt. Außerdem ging Staatspräsident Petro Poroschenko umgehend an die Öffentlichkeit und versicherte, alle Einlagen seien sicher. Die Kunden könnten zwar einen Tag lang keine Bankgeschäfte tätigen, ansonsten würden die Ukrainer den Schritt nicht einmal spüren.

Das war eine starke Untertreibung. Denn die PrivatBank, die etwa 35 Prozent der gesamten privaten Einlagen im Land hält, gilt als systemrelevant. Ihre Rettung muss, wenn kein Wunder geschieht und sich die bisherigen Eigner nicht noch maßgeblich finanziell beteiligen, wohl aus dem Staatssäckel finanziert werden - also mit dem Geld der Steuerzahler des wirtschaftlich angeschlagenen Landes. Und: Einer der beiden Ex-Eigentümer heißt Ihor Kolomojskij. Er ist einer der mächtigsten und reichsten Oligarchen der Ukraine und ein Intimfeind des Präsidenten.

Ein Oligarch wie Kolomojskij verfügt über die Mittel, um Kiew das Leben schwer zu machen

Der Mann aus der ostukrainischen Großstadt Dnipro soll, das berichten ukrainische Medien, kurz nach der nächtlichen Entscheidung in Kiew bereits im Jet auf dem Weg ins Ausland gesichtet worden sein; er besitzt die ukrainische, die israelische und die zyprische Staatsbürgerschaft sowie einen Wohnsitz in der Schweiz. Vor seiner Abreise beklagte er laut Spiegel auf Facebook, das auch in der Ukraine mittlerweile eines der Hauptkommunikationsmittel in öffentlichen Debatten ist, er sei Opfer einer "feindlichen Übernahme". Das klingt nach Rache - und einem Machtkampf.

Vor anderthalb Jahren beschnitt die Regierung den Zugriff des einflussreichen Besitzers zahlreicher Energiefirmen auf einige mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Öl- und Gasfirmen. Seitdem tobt ein Krieg, der sich an der politischen wie an der ökonomischen Front abspielt. Die Gouverneurin der Nationalbank, Valerija Gontaerva, beeilte sich daher zu betonen, dass die Übernahme der Bank in Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds IWF und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vollzogen worden sei, ja deren Wünschen entspreche. Aber die Sorge in der Ukraine vor den langfristigen Folgen sind groß. Denn wenn ein Oligarch wie Kolomojskij beschließt, der Regierung in Kiew das Leben schwer zu machen und das Land zu destabilisieren, verfügt er über eine Reihe von Instrumenten: sein Firmenimperium, sein Einfluss auf die Energiewirtschaft, die von ihm finanzierten und ausgestatteten Freiwilligenbataillone im Kriegsgebiet, sein Fernsehsender.

Über eine Verstaatlichung der größten ukrainischen Bank war seit Monaten spekuliert worden. Sie galt - nach Angaben der ukrainischen Nationalbank, aber auch aufgrund von Stresstests und nach Erkenntnissen internationaler Fachleute - als stark unterkapitalisiert. Vordringliches Problem war demnach, dass die PrivatBank mehr als 80 Prozent ihrer Kredite an Insider ausgegeben hat; das entspricht 3,4 Milliarden Dollar für Kreditnehmer und Firmen, die wirtschaftlich mit der Bank und ihrem Eigentümer verbunden sind.

Das Finanzministerium will nun Anleihen ausgeben, um die Milliarden an Eigenkapital aufzubringen, die der Bank derzeit fehlen. Experten sind sich einig, dass die Übernahme überfällig war, zumal Kiew derzeit den Bankensektor grundlegend reformiert. 70 von insgesamt 180 Banken befanden sich nach Angaben der Deutschen Beratergruppe Ukraine 2016 im Abwicklungsprozess, Banken mit intransparenten Geschäftsmodellen sollen geschlossen werden. Der Umbau des Bankensektors gilt als erfolgreiche Reform im mühsamen Erneuerungsprozess des Landes.

Folgerichtig argumentierte Poroschenko am Montag, die Verstaatlichung der PrivatBank sei ein Beitrag zur Korruptionsbekämpfung, die Säuberung des Bankensektors ein wichtiger Teil dieser Bemühungen. Allerdings monieren Experten, dass die Übernahme paradoxerweise ein Geschenk an Kolomojskij sein könnte: Wenn der vorwiegend sich und seine Geschäftsfreunde mit Krediten aus seiner Bank bedient habe, sei die Bankenrettung wie eine "Vergebung seiner Sünden", so ein Investmentbanker in der Zeitung Kyiv Post.

Die internationalen Reaktionen waren überwiegend positiv. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nannte die Entscheidung einen "mutigen und starken Schritt". Die EBRD in London hat angekündigt, eventuell in die PrivatBank zu investieren, wenn die Rettung erfolgreich sei.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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