Ukraine:Moskaus teurer Vasall

Hat Russland das Gezerre um die Ukraine gewonnen? Aus geostrategischer Sicht erst mal schon - für Putin ist alles gut, was den Einfluss seines Landes in der Welt erweitert. Doch das wird teuer. Und solange Moskau nur Geld, aber keine echte Perspektive bietet, bleibt Europa attraktiv.

Ein Kommentar von Julian Hans, Moskau

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Hunderttausende Menschen fordern den Rücktritt von Asarow und Janukowitsch sowie einen Westkurs ihres Landes.

(Foto: AFP)

Die Europäische Union hat das Spiel um die Ukraine verloren, so viel ist klar. Aber wer hat es eigentlich gewonnen? Die Ukraine ganz offensichtlich nicht. Präsident Viktor Janukowitsch hat sich am Ende für den Weg entschieden, von dem er hofft, dass er ihm nicht morgen das Genick bricht, auch wenn schon übermorgen diese Gefahr droht. Die Demonstrationen von Europa-Befürwortern mögen beeindruckend sein, eine zweite orangene Revolution wird wohl nicht daraus.

Ganz anders hätte es ausgesehen, wenn Russland nach einer Unterzeichnung des Abkommens wirklich seine Grenzen für Waren aus der Ukraine dichtgemacht und die Kooperationen mit ukrainischen Rüstungsbetrieben beendet hätte. Ein weiterer Einbruch der Wirtschaft und Tausende Arbeitslose zusätzlich hätten Janukowitschs politisches Schicksal wohl noch vor der Wahl 2015 besiegelt. Letztlich hat er sich verhalten, wie sich der Präsident eines Landes eben verhalten kann, das kurz vor dem Bankrott steht: Er hat den Strohhalm ergriffen, der ihm noch zwei Atemzüge mehr erlaubt. Und dann - mal sehen.

Eine ähnliche Situation hat Europa im Frühjahr schon einmal erlebt, als Zypern kurz vor der Pleite stand und Moskau als weißer Ritter auftauchte. Nur hat es damals offenbar nicht gereicht, was die Russen im Köcher hatten und sowohl geostrategisch als auch historisch passten die Puzzleteile weniger gut zusammen als jetzt. Die Ukraine war ja nicht erst seit Sowjetzeiten mit Moskau verbunden. Jedes Kind lernt in der Schule, dass Kiew die Wiege des russischen Staates ist. Und seine Wiege gibt man nicht leicht weg.

Geostrategie versus Wirtschaft, Werte und Rechtsstaat

Also ist Russland der Gewinner? Das stimmt nur, solange man sich das Denken von Wladimir Putin zu eigen macht. Für ihn ist Geostrategie alles. Und alles ist gut, was den Einfluss Russlands in der Welt erweitert. Was mit diesem Einfluss bewirkt werden soll und wie sich ein Leben wenn nicht in Freiheit, so doch zumindest in Wohlstand für die Menschen unter diesem Einfluss erreichen ließe, steht dahin. Auch in dieser Hinsicht ist Moskau ein Gegenmodell zu Brüssel, wo man zwar viel von Wirtschaft, Werten und Rechtsstaat versteht, aber wenig von Geopolitik.

Stattdessen ist Moskau dabei, sich in der Ukraine noch einen teuren Vasallen zu schaffen. Nur Gewalt und Milliarden halten die Separationsbewegungen im Nordkaukasus klein. Milliarden fließen ebenfalls nach Südossetien und Abchasien, die sich von Georgien abgespalten haben. Die Zollunion mit Kasachstan hat zwar hier und da wirtschaftliche Vorteile gebracht, der dritte Partner dagegen, Belarus, hat kaum eine nennenswerte Wirtschaft, mit der ein Austausch stattfinden könnte. Der Neuzugang Armenien hat sich im September für die Union entschieden: Eriwan braucht Russlands Schutz vor dem hochgerüsteten Nachbarn Aserbaidschan.

Ein wirklicher Gewinn für die Ukraine wäre die Entscheidung nur, wenn Russland eine echte Perspektive, gar eine Vision böte. Solange die fehlen, bleibt Europa attraktiv. Und für Moskau wird es teuer.

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