Ukraine-Krise auf der Sicherheitskonferenz:Vermittler verzweifelt gesucht

Münchner Sicherheitskonferenz

Der ukrainische Außenminister Leonid Koschara (links) und der ukrainische Oppositionspolitiker und ehemalige Boxprofi Vitali Klitschko.

(Foto: dpa)

Vitali Klitschko gewinnt auf der Münchner Sicherheitskonferenz zwar den Kampf um die Sympathien, doch eine Lösung im ukrainischen Machtkampf ist ferner denn je. Hinter den Kulissen hat deshalb die Suche nach einem Schlichter begonnen.

Von der Sicherheitskonferenz berichten Stefan Kornelius und Paul-Anton Krüger

Es ist eine ungleicher Kampf, den sich der Boxer Vitali Klitschko und der ukrainische Außenminister Leonid Koschara da liefern. Klitschko kann in holprigem Deutsch reden, er kann wenig geschliffene Argumente vortragen, er muss keinen politischen Fahrplan aus dem Schlamassel anbieten.

Klitschko hatte bereits gewonnen, ehe er den Saal der Münchner Sicherheitskonferenz betrat. Wenn es noch eines letzten Beweises bedurfte, dann lieferten ihn die lärmenden Fotografen auf der Galerie, die den Hünen wie einem Filmstar empfingen - "Hallo Vitali! Hier, Mr. Klitschko!". Klitschko ist in München das Gesicht des Aufstandes, eines gerechten Aufstandes. Aber: genau wie viel Gerechtigkeit versteckt sich hinter seinem Anliegen? Wie verträgt dieses Riesenland Ukraine diese Revolution und ihren Anführer? Unter rechtsstaatlichen, demokratischen - oder noch eindeutiger - freiheitlichen Kriterien ist die Sache entschieden.

Klitschko hat hier eindeutig gewonnen, auch wenn der Außenminister genauso wie sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Vormittag immer und immer wieder die "Terroristen" ins Feld führt, um den friedlichen Protest zu diskreditieren. Hooligans und Rechtsextreme haben tatsächlich im Umfeld der Proteste Krawall gemacht. Doch der allergrößte Teil der Demonstranten ist friedlich - und sieht sich trotzdem mit massivem Gewalteinsatz durch die Sondereinheiten des Innenministeriums konfrontiert.

Klitschko nutzt die Macht der Bilder

Klitschko ist vorbereitet auf diese Taktik: Er lässt Fotoalben bringen,mit deren Hilfe er die Provokationen von der Regierungsseite und den Sicherheitskräften entlarven will. 27 Menschen sind seit Beginn der Proteste verschwunden. Der Aktivist Dmitri Bulatow, Anführer des Auto-Maidan, ist nach einer Woche übelst misshandelt wieder aufgetaucht; er soll eventuell zu einer medizinischen Behandlung nach Deutschland ausgeflogen werden. Doch die Bilder von seinem zerschlagenen Gesicht verfehlen ihre Wirkung nicht, da ist sich Klitschko sicher: "Das ist die Botschaft an die Menschen, dass es jedem ebenso ergehen kann, der sich an den Protesten beteiligt."

Aber mehr als um Gewalt und Gegengewalt, um Entstehungsgeschichte und Eskalationen geht es auf der Münchner Konferenz um das große Bild. Um die Lösung, das winzige Licht am Ende des Tunnels. Für große Fragen ist Zbig Brzezinski zuständig, der früher mal Sicherheitsberater von Jimmy Carter war und heute nach wie vor einer der klügsten strategischen Köpfe der USA ist. Er sagt: Die politische, kulturelle und religiöse Tektonik Europas hat ihre Bruchstelle exakt in der Ukraine. Selbst wenn die nicht mehr so eindeutig zu sehen ist und das europäische Bedürfnis auch und gerade Generationen spaltet: "Eine dauerhafte Lösung gibt es nur auf der Grundlage eines Kompromisses."

Die Krise als Test für Deutschland?

Dann gibt er ein paar Ratschläge: Die Opposition brauche einen einzigen, charismatischen Anführer - für ihn offensichtlich Klitschko. Europa müsse ein glaubwürdiges ökonomisches Paket schnüren, damit die Ukraine Sicherheit habe. Dies gehe nur mit Deutscher Hilfe - und nach den Worten von Präsident Gauck dürfte das dann der erste Test für die neue deutsche Außenpolitik sein. Und drittens: Die USA und Russland müssten das Gespräch über das Problem suchen. Gebe es keine Lösung, sondern nur noch mehr Gewalt, das schade Russland und Europa gleichermaßen.

Catherine Ashton ergreift die Initiative

Wie weit diese Kompromissbereitschaft gediehen ist, versucht unterdessen die europäische Chefdiplomatin Catherine Ashton auszuloten. Sie hat die beteiligten Parteien und die anwesenden Außenminister der großen europäischen Staaten zu einem Gespräch eingeladen.

Ob es zustande kommt? Ob mehr als nur Anschuldigungen ausgetauscht werden? Ob Klitschko einen politischen Plan hat? Sicher ist, dass die Ukraine Hilfe von außen braucht für ihr sehr internes Problem. Es werden Garantien und Aufseher gesucht, glaubwürdige Vermittler. In München sind gerade viele versammelt.

Um eine weiter Eskalation der Lage zu vermeiden, loten Außenminister und andere Unterhändler einen Plan aus, quasi einen neutralen Schiedsrichter zu installieren, den beide Seiten akzeptieren - Regierung wie Opposition.

Noch ist nicht klar, wer diese Rolle ausfüllen könnte, doch soll diese Instanz darüber wachen, dass die zwischen der Regierung und der Opposition getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden - derzeit trauen sich die beiden Seiten keinen Meter über den Weg. Das macht jeden Schritt hin zu einem Kompromiss hin schwierig.

Es geht um mehr als Zugeständnisse

Wie ein Kompromiss aussehen könnte, das vermag in München noch niemand wirklich zu sagen Außenminister Koschara betont, die Regierung habe alle wesentlichen Forderungen der Opposition erfüllt: Die Gesetze aufgehoben, mit denen die Regierungsparteien am 16. Januar die Demonstrationsfreiheit beschnitten hatten, dazu ein Amnestiegesetz - dessen Annulierung die Opposition nicht mitgetragen hat, weil sie an Bedingungen geknüpft war wie die Räumung von Regierungsgebäuden und Plätzen. Und der Rücktritt der Regierung, die allerdings im Vergleich zum Präsidenten nur wenig Macht hat.

Doch das reicht der Opposition nicht aus, wie Klitschko klarmacht. Es geht um die Systemfrage - und um den Präsidenten. Klitschko spricht von einer politischen Ordnung, in der die Macht geteilt ist zwischen Parlament, Premier und Präsidenten. Er will zurück zur Verfassung von 2004. Und er verlangt, dass Viktor Janukowitsch abtreten muss.

Neuwahlen will Klitschko zu einer Abstimmung über die Zukunft der Ukraine machen. Von der Orientierung nach Europa erhofft er sich die Durchsetzung der Menschenrechte, ein Ende der grassierenden Korruption, ein Wirtschaftssystem, das nicht auf Nepotismus beruht. "Die Menschen in der Ukraine wollen endlich eine Zukunft haben", sagt er bei einer anschließenden Pressekonferenz.

Klitschko will Sanktionen

Deswegen harren sie seit zwei Monaten in der Kälte aus auf den Straßen Kiews und anderer Städte - und deswegen werden sie nicht heimgehen, bis sie ihre Forderungen erfüllt sehen. Um das zu beschleunigen, sagt Klitschko, sei es an der Zeit für persönliche Sanktionen gegen führende Regierungsmitglieder und den Präsidenten.

Die nähmen nämlich schon alle Vorzüge der Europäischen Union in Anspruch, sagt er - und ihnen diese Privilegien zu verwehren, sei das einzige, was ihnen schmerze.

Ob das reichen wird, da scheint sich auch der Kämpfer Klitschko nicht sicher zu sein. Er warnt den Präsidenten vorsichtshalber davor, das Militär gegen das eigene Volk einzusetzen. Janukowitschs Partei der Regionen hat inzwischen die Gründung einer Art Bürgerwehr mit dem Namen "Ukrainische Front" beschlossen, um das Land von denjenigen befreien, "die es okkupieren wollen".

Für alles was in der Ukraine nun passiere, sagt Klitschko, sei nun eine einzige Person verantwortlich: Präsident Viktor Janukowitsch.

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