Osteuropa:Zwei Schreckgespenster machen Hoffnung im Ukraine-Konflikt

Großreinemachen in Krasnohorivka: Ukrainische Soldaten halten sich einsatzbereit.

Großreinemachen in Krasnohorivka: Ukrainische Soldaten halten sich einsatzbereit.

(Foto: Imago)
  • Seit der Revolution in Kiew ist Victoria Nuland vom US-Außenministerium für Moskau eine Strippenzieherin des Maidan. Der Russe Wladislaw Surkow dagegen gilt als Organisator der Krim-Annexion und der "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk.
  • Ein Treffen zwischen beiden macht Hoffnung für den festgefahrenen Friedensprozess.
  • Aber auch Deutschland sieht sich in der Pflicht, die Umsetzung des sogenannten Minsk-Abkommens voranzutreiben.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Julian Hans, Moskau

Es war eine ungewöhnliche Begegnung, die am Freitag im Ostsee-Badeort Pionerskij nördlich von Kaliningrad stattfand. Fast sechs Stunden sprachen Victoria Nuland und Wladislaw Surkow in der Residenz des russischen Präsidenten hinter verschlossenen Türen über die Ukraine. Ein "Brainstorming" nannte Surkow das Treffen hinterher: "ausführlich, konstruktiv und hilfreich". "Produktiv" sei es zugegangen, betonte auch das US-Außenministerium.

Die Sanktionen gegen Russland könnten möglicherweise noch in diesem Jahr aufgehoben werden. Das nährt Hoffnungen, dass es den Beteiligten ernst sein könnte mit der Initiative, den festgefahrenen Minsk-Prozess im neuen Jahr wieder voranzubringen. Signale dafür kamen in den vergangenen Wochen aus Moskau, Washington, Berlin und Kiew.

Bisher waren Nuland und Surkow eher so etwas wie die Schreckgespenster der jeweils anderen Seite: Nach der Revolution in Kiew war die Beauftragte des US-Außenministeriums für Europa und die Länder der ehemaligen Sowjetunion über Monate beliebteste Zielscheibe des russischen Fernsehens, das sie als Strippenzieherin des Maidan darstellte. Surkow, im Kreml zuständig für alle Konfliktregionen von Abchasien über Transnistrien bis zum Donbass, gilt seinerseits als Organisator der Krim-Annexion und der "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk. Weil er deshalb auf den Sanktionslisten der USA und der EU steht, konnte das Treffen nicht in Litauen stattfinden, wo Nuland gerade zu Besuch war - also reiste sie in die benachbarte russische Exklave Kaliningrad.

Russlands früherer Innenminister Gryslow vertritt jetzt Moskau in der Minsker Kontaktgruppe

Bereits Ende Dezember hatte Wladimir Putin die russische Delegation in der Minsk-Kontaktgruppe aufgewertet. Für den Kreml nimmt nun der ehemalige Innenminister Boris Gryslow an den Verhandlungen teil, bei denen Vertreter Kiews und die von Russland unterstützten Separatisten unter Begleitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Umsetzung der Vereinbarung vom Februar 2014 regeln sollen.

Gryslow ist Mitglied des russischen Sicherheitsrats, war Vorsitzender der Kreml-Partei Einiges Russland und des Parlaments. Anfang Januar traf er sich in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Seine Aufgabe sei es, "bei der Suche nach Kompromissen und effektiven Lösungen den Horizont zu erweitern", sagte er in einem Interview, das die Zeitung Kommersant am Montag veröffentlichte.

Von den 13 Punkten des Minsker Abkommens ist bisher noch kein einziger vollständig umgesetzt. Immerhin wird aber seit September deutlich weniger gekämpft. Moskau und Kiew streiten seitdem vor allem um zwei Punkte der Vereinbarung: die Festlegung eines Sonderstatus' für den Donbass in der Verfassung und die Durchführung von Wahlen in den abtrünnigen Gebieten. Nachdem beide Seiten zuletzt einander vorgeworfen hatten, der Ball liege im Feld des jeweils anderen, sagt Gryslow nun, die Situation sei keinesfalls in einer Sackgasse: "Es gibt eine Vielzahl von Wegen und Möglichkeiten für einen Durchbruch. Meine Aufgabe ist es, sie den Teilnehmern des Prozesses aufzuzeigen."

Zwei Entwicklungen könnten Moskau zu größerer Kompromissbereitschaft bewogen haben: Die russische Syrien-Operation hat den Ukraine-Konflikt seit Ende September aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt, Zugeständnisse seien nun leichter möglich, glaubt Balázs Jarábik vom Carnegie-Zentrum. Außerdem geht es mit der russischen Wirtschaft im Sog des Ölpreises bergab.

Vor allem Deutschland sieht sich in der Pflicht

Vor wenigen Wochen hatte die EU ihre Wirtschaftssanktionen gegen Russland um ein halbes Jahr verlängert, weil die Minsker Vereinbarungen nicht umgesetzt werden. Eine weitere Verlängerung gilt allerdings als schwierig. Viel entscheidender sind für Moskau aber die Maßnahmen Washingtons, die russischen Unternehmen den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten versperren. Sie wirken nun umso schärfer, je tiefer der Ölpreis fällt und damit die Devisen-Einnahmen des russischen Staates zurückgehen. Bei der Einführung der Sanktionen im Sommer 2014 kostete ein Barrel Rohöl noch mehr als 100 Dollar, am Montag waren es bereits weniger als 29 Dollar.

Steinmeier will den Vorsitz der OSZE nutzen, um die Lage in der Ukraine zu verbessern

Insbesondere Deutschland sieht sich nun in der Pflicht, die Umsetzung des Abkommens voranzutreiben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist in diesem Jahr amtierender Vorsitzender der OSZE und will diesen Vorsitz auch für Fortschritte in der Ukraine nutzen. Ermutigend sei, dass "der Waffenstillstand wieder einigermaßen eingehalten wird", sagte Steinmeier am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel. "Wir sind jetzt in der Phase, in der das Wahlrecht für die Wahlen in der Ostukraine geschaffen werden muss", betonte er. Dafür seien "Hürden zu überwinden", auch im ukrainischen Parlament.

Steinmeiers Staatssekretär Markus Ederer und der außenpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel, Christoph Heusgen, sind am Sonntag zu diesem Zweck zu Vermittlungsgesprächen nach Moskau und Kiew aufgebrochen.

Am Mittwoch tritt die Minsk-Gruppe erneut in der weißrussischen Hauptstadt zusammen. Zur gleichen Zeit wollen US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow in Zürich miteinander reden. Erst im Dezember war Kerry in Moskau gewesen. Auch wenn Washington und Moskau weiter über das Schicksal des syrischen Diktators Baschar al-Assad streiten, sind die Kontakte seit Beginn der russischen Syrien-Operation regelmäßiger geworden - wenn auch nur gezwungenermaßen. Mehrmals haben Barack Obama und Wladimir Putin in den vergangenen Wochen miteinander telefoniert. Zuletzt vor dem Treffen von Nuland und Surkow.

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